Experten trotz Corona-Pandemie für Spitalsbettenabbau
Österreich hat zu viele teure Spitalsbetten: Gesundheitsökonomen bleiben bei dieser Aussage, auch wenn das Land bisher besser als andere durch die Coronakrise gekommen ist. Expertin Maria Hofmarcher-Holzhacker steigt im Gegensatz zu ihren Kollegen Ernest Pichlbauer und Thomas Czypionka aber ein wenig auf die Bremse. Zunächst müsse der ambulante Bereich breit aufgestellt werden, sagte sie zur APA.
Czypionka vom Institut für Höhere Studien (IHS) meinte am Montag im "Standard", dass das glimpfliche Abschneiden des Landes nicht mit der hohen Anzahl an Akutbetten (rund 5,5 pro Tausend Einwohnern) zusammenhänge.
Die Gegenbeispiele erklärt er mit anderen Faktoren: In Norditalien etwa hätten die vielen chinesischen Arbeiter in der Textilindustrie das Virus stark verbreitet. Vor allem aber spiele die Wohnsituation, konkret das Zusammenleben von Jung und Alt, eine entscheidende Rolle.
Viele Spitalsbetten sind keine gute Versicherung
Auch der Annahme, dass viele Spitalsbetten eine gute Versicherung gegen weitere Infektionswellen seien, widersprach er. Nur alle zehn bis 20 Jahre sei mit einer Pandemie zu rechnen, da sollte ein Land besser in die Vorsorge investieren statt in über lange Zeit überflüssige Infrastruktur.
Es brauche Frühwarnsysteme, bei denen ein Stab aus Spezialisten rasch die richtigen Maßnahmen setzt, und die nötige Grundausstattung.
Während Ökonom Pichlbauer dem auf APA-Anfrage beipflichtete und ein Umschichten der Mittel in die Versorgung chronisch Kranker und der Pflege forderte, zeichnete Hofmarcher-Holzhacker ein differenzierteres Bild. Natürlich gebe es Ineffizienzen und die Notwendigkeit von Kapazitätsanpassungen, aber die hohe Bettenzahl habe in der Coronakrise vertrauensbildend gewirkt.
"Das halte ich atmosphärisch für wichtig" sagte sie und sprach vom "intangiblen Nutzen".
Bettenzahl rückläufig
Nicht vergessen dürfe man auch, dass zuletzt, konkret von 2008 bis 2018, die tatsächliche Bettenzahl in Fondskrankenanstalten bereits um 4.416 auf 44.183 zurückgenommen worden sei. Allein im Jahr 2018 habe das eine Kostenersparnis von mehr als 800 Mio. Euro gebracht, kumuliert in den zehn Jahren rund 4,2 Mrd. Euro. Allerdings sei die Personalquote pro Bett in diesem Zeitraum gestiegen.
Außerdem, so Hofmarcher-Holzhacker, müsse sichergestellt sein, dass die ambulante Versorgung inklusive mobiler Pflege breit aufgestellt sei, bevor man sich der Kapazitätsanpassung im Spitalsbereich widme. Sie appellierte hier für einen gemeinsam von Sozialversicherung und Ländern gespeisten Finanzierungstopf, mit Vorgaben des Bundes.
Absage von der Ärztekammer
Aus der Ärztekammer kam indes eine klare Absage an den Abbau von Spitalsbetten. Aussagen, dass man auch mit der Hälfte ausgekommen wäre, gingen "deutlich und auch sehr gefährlich" an der Realität vorbei, meinte Vizepräsident Wolfgang Weismüller in einer Aussendung. "Statistiker mögen ihre Zahlen lieben, die Einschätzung der Arbeit im Spital ist dann aber doch etwas für die Ärztinnen und Ärzte", reklamierte er den Expertenstatus in dieser Frage für seinen Berufsstand.