Erinnerungen an Flucht von 5.000 Juden über die Alpen gesucht
Von Matthias Nagl
Eine lange Zeit kaum beachtete, historische Fluchtbewegung in Salzburg will der Gedenkverein „Alpine Peace Crossing“ (APC) nun genauer dokumentieren. 5.000 osteuropäische Juden flüchteten im Sommer 1947 von Salzburg aus über den Krimmler Tauern nach Italien und weiter nach Palästina. In vielen Gruppen von 200 bis 300 Menschen wanderten sie in der Nacht den beschwerlichen 15-stündigen Weg zu Fuß.
Den Weg über den 2.634 Meter hohen Gebirgspass mussten sie nehmen, weil die Besatzungsmächte alle leichteren Routen gesperrt hielten. Seit 2007 organisiert der Verein APC alljährlich im Juni eine Gedenkwanderung über den Krimmler Tauern. Nun sucht der Gedenkverein nach historischen Dokumenten und Erinnerungen zur Flucht.
„Wir sind an allem interessiert, was damit in Verbindung steht“, sagt APC-Obmann Robert Obermair zum KURIER. Der Aufruf geht an alle, die Zeitzeugen-Dokumente von dem historischen Ereignis haben.
Jede Erinnerung erwünscht
Gesucht werden etwa Fotos, Briefe und andere Texte, Ton- und Filmdokumente, aber auch persönliche Erinnerungen und Lebensgeschichten. „Wir suchen da sehr breit. Das richtet sich etwa auch an Leute, die an der Fluchtroute zwischen Saalfelden und Krimml gewohnt und Fotos gemacht haben“, erklärt Obermair. Es müssen auch nicht unbedingt Fotos oder offizielle Dokumente sein, niedergeschriebene persönliche Erinnerungen seien genauso willkommen.
Der Aufruf hat mehrere Hintergründe: Die Gedenkveranstaltung und das Vereinsmagazin im kommenden Jahr sollen das Schwerpunktthema „persönliche Erinnerungen“ haben. „Da wollen wir auf das zurückgreifen, was der Aufruf einbringt“, sagt der Obmann. Außerdem würden die letzten Zeitzeugen der Flucht nach und nach sterben. „Wir wollen noch so viele Originalquellen zusammentragen wie möglich“, kündigt Obermair an.
Bereits erste Erfolge
Der Aufruf soll in weiterer Folge auch über Medien in Israel und den USA verbreitet werden, in der Hoffnung weitere Zeitzeugen der Flucht über den Tauern zu finden. Der Verein will diese dann in den kommenden Jahren besuchen und interviewen.
Obwohl der Aufruf bisher nur über vereinsinterne Kanäle gestartet wurde, gibt es erste Erfolge. „Der Sohn eines Überlebenden von damals hat uns aus Australien eine Filmquelle von 1947 zukommen lassen“, erzählt Obermair.
Die beschwerliche Route über den Krimmler Tauern musste nach dem Zweiten Weltkrieg nur ein kleiner Teil der osteuropäischen Flüchtlinge nehmen. In den Jahren 1945 bis 1948 haben 250.000 bis 300.000 Juden und Holocaust-Überlebende aus Osteuropa in mehreren Wellen ihre alte Heimat verlassen. Sie waren vor allem vor neuerlichen Pogromen geflohen. Ein Teil des Flüchtlingsstroms lief über Salzburg. Unterstützt wurden die Auswanderer von der jüdischen Fluchthilfeorganisation „Bricha“. Ein großer Teil wurde über Tirol und den Brenner- und Reschenpass nach Italien geschleust.
APC bittet um Dokumente und Erinnerungen an office@alpinepeacecrossing.org