Chronik/Österreich

Weniger Schwimmkurse in der Pandemie: Angst um die Nichtschwimmer

Es darf wieder gerutscht und geplanscht werden. Denn mit dem 1. Mai, gestern, begann traditionell die Badesaison. Zahlreiche Freibäder öffneten ihre Tore oder – besser gesagt – nahmen ihre Drehkreuze in Betrieb.

Mit jedem Badegast, der diese passiert, steigt jedoch beim Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) die Anspannung. Denn zwei Jahre Corona haben bei den Schwimmkenntnissen der österreichischen Bevölkerung Spuren hinterlassen.

Fehlendes Training

„Schon die Erhebung im Vorjahr hat gezeigt, dass der Anteil der Nichtschwimmer gestiegen ist“, sagt Johanna Trauner, Leiterin der Sportprävention im KFV. Sieben bis acht Prozent ab fünf Jahren können laut dieser nicht schwimmen. Das sind zwischen 600.000 und 700.000 Personen. Rund 20 Prozent schätzen ihre Kenntnisse als unsicher bis mittelmäßig ein.

Auf Kinder und Jugendliche von fünf bis 19 Jahren heruntergebrochen, können 162.000 nicht schwimmen. 95.000 Zusätzliche sind sich (sehr) unsicher.

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Grund dafür sind laut Trauner vor allem die ausgefallenen Schwimmkurse und das fehlende Training: „Wir haben eine komplette Generation, die schon nicht mit den Eltern begonnen hat, Schwimmen zu lernen und der nun auch die Möglichkeit von Schulkursen weggefallen ist.“ Vor der Pandemie fanden in einem Halbjahr 6,2 Millionen Schwimmstunden in den Schulen statt. Während der Pandemie sind davon 4,2 Millionen entfallen.

Nicht nur, dass Kinder während der Pandemie zu wenig Schwimmen gelernt haben, generell fehlte ihnen Bewegung. Das weiß auch Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP), der vergangene Woche nun kurzerhand den Juni zum Monat des Sports erklärte.
Konkret sollen in diesem zahlreiche Förderungen für Schulen ausgeschüttet werden. Geld bekommt man dann, wenn Klassen neben dem Sportunterricht zusätzlich Aktivitäten unternehmen.

So gibt es für einen Sport-Schnuppertag bis zu 500 Euro für eine Klasse. Organisiert diese ein Sportfest oder einen Wettkampf, sollen sogar bis zu 1.500 Euro vorgesehen sein.
Auch einen Schwerpunkt zum Thema Schwimmen soll es geben, denn „Schwimmkurse sind die beste Vorsorge gegen Badeunfälle“, sagte Polaschek. Pro Schulklasse werden bei einem Training mit Schwimmlehrer bis zu 500 Euro beigesteuert.  
Insgesamt sollen 960.000 Euro für den Monat des Schulsports  zur Verfügung stehen. Infos und Angebot für Schulen sind auf monatdesschulsports.at abrufbar.

Das wieder aufzuholen ist schwierig, denn die Nachfrage übersteigt die angebotenen Schwimmkurse bei Weitem: „Wir haben 300 Kinder auf der Warteliste stehen und jeden Tag kommen einige Mails dazu“, sagt etwa Brigitta Kotek von „Swim and Fun OÖ“. In den vier Freibädern der Linz AG unterrichtet sie mit ihrem Team Kinder ab viereinhalb Jahren. 1.500 lernen so pro Jahr schwimmen. Nun werden Intensivkurse im Sommer eingeschoben. Dennoch blicken einige Eltern mit ihren Kindern ins Leere.

Schockstarre

Und das kann schwerwiegende Folgen haben, denn jährlich ertrinken 22 bis 47 Personen. Davon bis zu fünf unter 15 Jahren. Bei tödlichen Kinderunfällen ist Ertrinken damit die zweithäufigste Todesursache – und diese geht meist lautlos vonstatten. Denn ihr Körper verfällt in eine Schockstarre.

Genau diesem Reflex möchte das KFV in einem neuen Kurs entgegenwirken. Denn während man in einem „richtigen“ Schwimmkurs Brustschwimmen, bisschen kraulen und tauchen lernt, lernt man dort einfach, wie man sich im Notfall über Wasser hält, sei es mit noch so viel Gestrampel. „Es ist eine Art Überlebenstraining im Wasser“, erklärt Trauner. „Zum Beispiel, dass man es schafft, auf dem Rücken treibend zumindest eine kurze Distanz zu überwinden.“ In Niederösterreich sei dazu ein Pilotprojekt erfolgreich abgeschlossen worden. Nun soll es ausgerollt werden, auch auf Erwachsene. „Wir wollen das als Familienkurse anbieten.“

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Denn noch immer liegt der größte Teil der Verantwortung bei den Eltern. Diese sollten das Können der Kinder und ihr eigenes nicht überschätzen, so Trauner – egal ob in einem See oder Freibad. „Ich würde mich auf die Sicherheit im Freibad nicht verlassen. Denn dort ist man oft dazu geneigt, die Verantwortung an befreundete Familien abzugeben, die dann doch nicht schauen. Und bei den vielen Personen kann auch der Bademeister nicht überall sein.“

Ertrinkungsunfälle gehen nämlich schnell: Ein kleines Untertauchen könnte reichen, um Wenigschwimmer aus der Fassung zu bringen, weiß auch Martin Eberl von der oö. Wasserrettung. Im See kommen dazu Strömungen und Seegras. „Jeder kleine Vorfall kann zu einem schweren Unfall führen“, fasst er zusammen.

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"Nie alleine ins Wasser"

Die Wasserrettung sehe der Saison ebenfalls mit Sorge entgegen. Zu den ausgefallenen Schwimmkursen würde noch kommen, dass am Land Schwimmbäder weniger werden. Zudem seien auch ihre Schwimmkurse fast ausgebucht. Unendlich ausweiten könne man sie nicht, gebe es nicht unendlich viele Ehrenamtliche. Eigenverantwortung ist damit das A und O.

Eberls wichtigste Regel: Nie alleine ins Wasser gehen, auch nicht Ältere, sind diese anfälliger für Herz-Kreislauf-Beschwerden. Schwimmhilfe mitnehmen schade nie. Trauner empfiehlt Schwimmbojen – nicht jene festen, die man aus der Fernsehserie Baywatch kennt, sondern welche zum Aufblasen aus dem Sportgeschäft.

Das sichereste Mittel gegen Ertrinken sei jedoch gut schwimmen zu können und als Eltern Kinder nicht nur in Hörweite, sondern im Auge zu haben. „Schwimmflügerl und Co. kann man auch verlieren“, so Eberl.

Aufsichtspflicht

Neben Freibädern und Badeseen lauert die  Gefahr für Kinder auch zu Hause. Denn hat man ihn nicht selbst, kennt man meist eine Person, die Pool oder Teich im Garten hat. Auch hier gilt es, das Kind immer im Auge zu behalten. Wie heuer ein Vorfall in OÖ zeigte, bei dem ein Kleinkind  starb, kann schon ein kurzer Gang ins Haus zu viel sein.

Am Bauch ist es sicherer

Vorbeugend sollte man Kleinkindern beibringen, sich beim Pritscheln mit Wasser auf den Bauch zu legen. So verlieren sie nicht so schnell das Gleichgewicht. Grelle Kleidung erleichtert im Ernstfall das Finden. Offene Wasserstellen sollten etwa mit Zäunen  abgesichert sein – auch wenn man selbst keine Kinder, sondern diese nur in der Nachbarschaft hat.