Deutsch als Pausensprache: "Das ist Populismus pur"
Mit dem Arbeitsübereinkommen von ÖVP und FPÖ in Niederösterreich geht die Debatte über Deutsch als Pausensprache in die nächste Runde.
In Oberösterreich ist der Plan der schwarz-blauen Regierung, diese rechtlich zu verankern, vor Jahren an Bedenken des Bundeskanzleramts-Verfassungsdienstes gescheitert.
In Niederösterreich will die Regierung nun Deutsch am Schulhof über die Hausordnungen durchsetzen. Direktoren und Lehrer lehnen das ab, eine Deutschpflicht sei nicht umsetzbar.
"Das kann man nicht umsetzen"
Konkret ist im Arbeitsübereinkommen vorgesehen, dass Deutsch in Pausen und am Schulhof "durch Aufnahme in die schulautonom zu beschließenden Hausordnungen" gefördert werden soll. Für Wolfgang Bodai, Direktor der HTL Hollabrunn (NÖ) und Sprecher der BHS-Direktorinnen und -Direktoren, steht diese Vorgabe der Landesregierung allerdings im Widerspruch dazu, dass die Schulordnung autonom vom Schulgemeinschaftsausschuss (bestehend aus Schülern, Eltern und Lehrern) gemeinsam mit der Schulleitung autonom erstellt wird.
Auch inhaltlich kann er mit der Vorgabe nichts anfangen. "Das ist Populismus pur. Das kann man nicht umsetzen, geschweige denn kontrollieren", so Bodai im Gespräch mit der APA.
Widerspruch zu Schulautonomie
Widerspruch kommt auch von Isabella Zins, der Sprecherin der AHS-Direktoren. "Das ist vielleicht eine Schlagzeile oder eine Headline in einem Regierungspapier, aber etwas, das nicht umsetzbar ist", kritisierte sie im Ö1-"Morgenjournal". Sie kenne keine einzige Studie, die die Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme bestätige.
Außerdem "passt dieser Zwang aus meiner Sicht nicht zur Schulautonomie und auch nicht zur Kultur, die an unseren Schulen gepflegt wird", so die Direktorin des Bundesoberstufenrealgymnasiums in Mistelbach (NÖ). Es würde die Beziehung von Lehrern und Schülern belasten, wenn Lehrer in den ohnehin kurzen Pausen Sprach-"Polizist" spielen müssten und man müsse auch an die Auswirkungen etwa auf die ukrainischen Schülerinnen und Schüler denken. Wenn die Kinder im Spiel verschiedene Sprache nutzen würden, sehe sie das außerdem eher als Bereicherung und nicht als Nachteil.
"Lehrer sind keine Polizisten"
Der oberste Lehrervertreter Paul Kimberger (FCG) hält den Plan ebenfalls für "weder zielführend, noch machbar": "Lehrer sind keine Polizisten, sondern haben sich um die Pädagogik zu kümmern." Er stellte im Gespräch mit der APA auch die Frage, was ein Lehrer in der Praxis tun sollte, falls ein Schüler etwas in seiner Muttersprache sagt.
"Kriegt er dann ein Organmandat oder wie stellt man sich das vor?" Kimberger plädiert stattdessen für mehr Angebote zur Sprachförderung. Hier gebe es erheblichen Bedarf und das Beherrschen der Unterrichtssprache Deutsch sei schließlich entscheidend für den Schulerfolg.
Polaschek: "Interessanter Zugang"
Wenig ins Detail gehen wollte Bildungsminister Martin Polaschek (ÖVP) am Rande einer Pressekonferenz: "Was Niederösterreich versucht, ist eine Empfehlung, die ich hier nicht weiter zu kommentieren brauche." Er sehe jedenfalls keinen Anlass, hier auf Bundesebene tätig zu werden. Es werde an den Schulen liegen, ob und wie das umgesetzt wird. Insgesamt sprach er von einem "interessanten Zugang": "Man wird sehen, wie das funktioniert."
Auf Skepsis stößt bei den Praktikern auch ein weiteres Vorhaben aus dem niederösterreichischen Arbeitsübereinkommen: nämlich eine "erweiterte Mitwirkungspflicht der Eltern bei der Bildung ihrer Kinder durch verpflichtende und verwaltungsrechtlich sanktionierte Teilnahme an Lehrer-Elterngesprächen". Vorgesehen ist das vor allem nach "wiederholtem groben Fehlverhalten der Kinder (z.B. Gewalteskalation, Mobbing)".
Gewalt an den Schulen sei inakzeptabel, betonte Kimberger, und die Eltern seien hier jedenfalls auch in die Pflicht zu nehmen. Ein Eltern-Lehrer-Gespräch unter Zwang sieht er hier allerdings nicht als Lösung, die Möglichkeiten von Lehrpersonal und Schulleitungen seien irgendwann einfach ausgeschöpft. "Schule wird das alleine nicht leisten können, sondern da brauchen wir Unterstützung von verschiedenen Institutionen und Behörden, wenn es zu so einer Entwicklung kommt."
Auch an den berufsbildenden höheren Schulen (BHS) sieht Direktorensprecher Bodai keinen Bedarf nach verpflichtenden Eltern-Lehrer-Gesprächen. Gespräche mit den Eltern fänden bei Problemen so oder so statt und in der Regel hätten diese das Ziel, gemeinsam mit der Schule die Situation zu verbessern.