BVT-Sondersitzung: Opposition will Kickl "grillen"
Am heutigen Montag will die Opposition FPÖ-Innenminister Herbert Kickl in der Affäre um den Verfassungsschutz bei einer Sondersitzung im Parlament in die Mangel nehmen. Noch immer vergeht keine Woche, ohne dass neue Details über die heikle Causa auftauchen. Nachdem zuletzt zwei Suspendierungen aufgehoben wurden, der entlassene Geheimdienstchef um seine Sicherheit fürchtet und die Substanz der Vorwürfe offensichtlich immer dünner wird, steigt zugleich das Wissen um immer mehr sichergestellte, sensiblen Daten weiter an, wie aktuelle KURIER-Recherchen ergeben. Kickl gerät somit weiter unter Druck.
Mehr als 40.000 Gigabyte Daten wurden bei den Razzien sichergestellt. Darunter befinden sich nicht nur die Zentrale Quellen Bewirtschaftung (Informanten des BVT, mit Stand 2013) und das interne Kommunikationssystem der Nachrichtendienste namens Neptun, sondern weitere sensible Daten: Der eMail-Server der BVT-Vorläuferorganisation EBT (Einsatzgruppe zur Bekämpfung des Terrorismus) sowie die Abfragen des Verfassungsschutzes im Schengen-Informationssystem bis zumindest 2012. Daraus sind Rückschlüsse möglich, für welche Personen (Terrorverdächtige oder Rechtsextreme) sich der Verfassungsschutz interessiert hat.
All das erreichte den interimistischen Leiter des Verfassungsschutzes, Dominik Fasching, offenbar erst rund sechs Wochen nach der Razzia am 28. Februar. „Im Rahmen der Hausdurchsuchung im BVT wurde im IKT-Referat eine externe Festplatte mit unterschiedlichen Inhalten sichergestellt (...) Dies hat absolute Priorität“, schreibt Fasching in einer internen eMail, die dem KURIER vorliegt, am 6. April.
„Die gegenständliche Festplatte ist nicht passwortgeschützt“, räumt der zuständige Chefinspektor in einer Zeugeneinvernahme ein. Denn drei Personen hatten darauf immer Zugriff. Nun haben zumindest die Korruptionsstaatsanwaltschaft und eine private IT-Firma ebenfalls Zugang zu den Daten.
SPÖ und Neos haben wegen der ausgeuferten Sicherstellungen die heutige Sondersitzung einberufen. Die gesamte Opposition fordert den Rücktritt von Kickl, der als „Sicherheitsrisiko“ gesehen wird. Neos-Abgeordnete Stephanie Krisper meint , dass „ein anständiger Minister bereits zurückgetreten wäre“. SPÖ-Fraktionsführer Jan Krainer wird sich darauf einschießen, dass der Minister gegen seine eigenen Leute vorgeht – ein Vorgehen, das seinesgleichen sucht.
Die FPÖ sieht hingegen den „eigentlichen Skandal“ in den Medienberichten. Generalsekretär Christian Hafenecker fordert gar: „Der fragwürdige Umgang mit sensiblen Daten ist mit einer ,360-Grad’-Untersuchung aufzuklären, auch der der populistisch agierenden Opposition samt dazugehöriger Medien.“
Neues Entlastungsmaterial
In dem berühmten 40-seitigen Konvolut anonymer Anzeigen sind jedenfalls zahlreiche Vorwürfe aufgeführt, zu den Hausdurchsuchungen im Februar haben aber zwei Kernvorwürfe geführt, bei denen die Suppe von Woche zu Woche dünner wird.
Die Weitergabe nordkoreanischer Passrohlinge durch das BVT an Südkorea unterliegt „nicht dem Schutz des Strafrechts“, wie das Innenministerium selbst in einer rechtlichen Würdigung im Herbst feststellte. Behauptet wurde in dem Konvolut, dass zwei Verfassungsschützer mit Reisen nach Südkorea bestochen worden seien. Doch diese Reisen nach Seoul waren ebenso vom BMI genehmigt, wie jene von vier weiteren Personen.Zweitens geht es um angeblich nicht gelöschte Daten des Anwalts Gabriel Lansky und der Grünen Abgeordneten Sigrid Maurer. Mittlerweile hat sich herausgestellt, dass Maurers Daten längst gelöscht („skartiert“) waren und die angeblichen Lansky-Daten nicht weiter „verwertet“ werden durften. Ein ins Spiel gebrachter konkreter Löschauftrag seitens der Justiz ist bisher aber nicht im Ermittlungsakt zu finden.
Indes hat der renommierte Verteidiger Otto Dietrich – er vertritt den entlassenen Spionagechef P., der wegen eines möglichen Outings um seine Sicherheit fürchtet – eine Sachverhaltsdarstellung eingebracht. Seinem Mandanten wird unterstellt, er hätte im Zusammenhang mit der Affäre um den kasachischen Ex-Botschafter Rakhat Alijew unberechtigterweise über Daten aus der Anwaltskanzlei von Gabriel Lansky verfügt, was P. aber vehement bestreitet. Mitte März 2018 hat nun Lansky in einer Zeugeneinvernahme erklärt, „ein Mitarbeiter meiner Kanzlei hat von einem Mitarbeiter eines Kabinetts eines Bundesministers erfahren, dass ich vom BVT abgehört werde“.
Den Tippgeber hat der frühere SP-Anwalt Lansky nicht offengelegt. Bernhard P., zu dessen BVT-Agenden der kasachische Geheimdienst gehörte, hat die Korruptionsstaatsanwaltschaft nun aufgefordert, Ermittlungen wegen des Verdachts des Amtsmissbrauchs einzuleiten. Sollte Lansky abgehört werden, ist der Verrat dieser Überwachung Amtsmissbrauch. Anwalt Otto Dietrich sagt dazu: „Ich hoffe, dass sich die Staatsanwaltschaft bei der Aufklärung dieser Sache besonders einsetzt, auch wenn die Anzeige von mir, und nicht vom Generalsekretär des Innenministeriums eingebracht wurde.“