Chronik/Österreich

"Akutgefahr Extremwetter" - KFV warnt vor Hochwasser-Langzeitfolgen

Schwere Murenabgänge in Kärnten Ende Juni, sintflutartige Regenfälle in Salzburg und Niederösterreich 2021 - Extremwetter häuft sich in Österreich und nicht nur dort. Diese Woche jährt sich die vom Tief "Bernd" in Deutschland ausgelöste Hochwasserkatastrophe. Anlass für das Kuratorium für Verkehrssicherheit (KFV) an die gegenwärtig auftretende "Akutgefahr Extremwetter"  und  zu erinnern und daran, "wie unvorbereitet Hochwasserereignisse solcher Größenordnung die Gesellschaft treffen können", wie KFV-Experte Armin Kaltenegger sagt.

Erst Ende Juni trafen Murenabgänge die Kärntner Orte Arriach und Treffen im Bezirk Villach Land schwer. Tagelang waren die bis zu 700 Einsatzkräfte Baumaschinen vor Ort und räumten Straßen und Gebäude von Schlamm und Geröll frei. Gemeldet wurden 240 Schäden an privaten Gebäude und 53 an öffentlicher Infrastruktur. Bis 15. Juli soll ein Großteil der Schäden zumindest provisorisch behoben sein. 

Unterschätzte Folgeschäden

Warum viele Österreicher nicht ausreichend auf die Herausforderung vorbereitet sind, mit den möglichen Schäden derartiger Extremereignisse umzugehen, hat laut dem Experten zahlreiche Gründe. Zur Finanzierung der Behebung von Schäden gibt es laut Kaltenegger vier Quellen: "Katastrophenfond, Versicherungen, Spenden und Eigenvorsorge". Für Personen ohne Versicherung sei der Katastrophenfond die primäre Quelle. Die zu erwarteten Leistungen würden überschätzt, in Wirklichkeit zahlt der Fond "20 Prozent des durchschnittlichen Schadens, und zwar vom Zeitwert und nicht vom Wiederherstellungswert". Dazu geselle sich bei den Menschen ein gewisser Fatalismus im Umgang mit möglichen Katastrophen, gepaart mit Pessimismus.

"Zudem sehen 60 Prozent die öffentliche Hand in der Pflicht, vor diesen Katastrophen zu schützen und die Schäden zu kompensieren", erläuterte Kaltenegger und nannte das "Sparen am falschen Platz" beim Bau des Eigenheims als weitere Ursache für Folgeschäden. "Laut Studien wären zehn Prozent höhere Baukosten zum Schutz vor gängigen Naturgefahren notwendig", so der Experte.

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Umweltmediziner und Ökologe Hans-Peter Hutter will auf unterschätzte chronische Folgeschäden von Katastrophen aufmerksam machen: Infektionsrisiken und gesundheitliche Gefahren durch Gebäude, die nach einem Hochwasser durch Mauerfeuchte günstige Verhältnisse für Bakterien, "aber vor allem für Schimmel" bieten.

Enorm unterschätzt seien auch die psychischen Belastungen, die nicht nur durch Verlust eines Angehörigen oder durch Verletzungen nach einer Katastrophe entstehen können. Hutter berichtet  von Menschen, die nach einem Hochwasser bei einsetzendem Regen in Panik geraten würden. "Hier gilt es früh zu intervenieren", denn eine sogenannte posttraumatische Belastungsstörung könnte jahrelang anhalten.

Die Schäden von Tief "Bernd"

In Europa sorgte Tief "Bernd" am 14. und 15. Juli 2021 für Regenmengen von 100 Liter pro Quadratmeter und forderte 200 Todesopfer. Die größten Schäden entstanden in Deutschland und Belgien, aber auch Österreich war stark betroffen mit Überschwemmungen in der Halleiner Altstadt, Murenabgängen in Salzburg und 600 Einsätzen in Niederösterreich, wo mehrere Ortschaften zu Katastrophengebieten erklärt wurden, erinnerte Kaltenegger. Es waren Niederschläge, wie sie örtlich seltener als einmal in 100 Jahren zu erwarten sind.

Überflutungen extremeren Ausmaßes trafen Österreich nicht nur im Vorjahr, größere Ereignisse gab es laut dem Experten zuvor schon 2002, 2005, 2013 und 2018 - und die Bevölkerung wäre sich über die Gefahr durchaus bewusst, sagte Kaltenegger unter Berufung auf aktuelle KFV-Erhebungen. Sie ergaben, dass Hochwasser und Überflutungen die am meisten gefürchteten Naturgefahren in Österreich sind.

Der Klimawandel befeuert derartige Ereignisse, davor warnt die Wissenschaft schon lange, 2021 war ein besonders heftiges Jahr. Weltweit verursachten 50 Extrem-Überflutungen über 80 Milliarden Euro Schaden, womit die Schadenssumme der vergangenen fünf Jahre jeweils übertroffen worden sei. Hutter erinnert an die notwendige CO2-Reduktion: "Wenn es uns nicht gelingt, den Klimaschutz umzusetzen", dann stelle sich immer mehr die Frage, wie die Folgen des Klimawandels überhaupt noch bezahlbar wären. "Klimaschutz ist nicht etwas, das nur am Papier steht, die Konzepte sind da", schloss Hutter.