Chronik/Österreich

707 Straßenschilder bekommen Zusatztafeln

Maria Cäsar, Alfred Coßmann oder Gabriel Seidl: Diese Persönlichkeiten standen Pate für Straßen- oder Platzbezeichnungen in Graz. Insgesamt wurden 707 öffentliche Verkehrsflächen in der Stadt nach Menschen benannt.

12 Prozent bedenklich

Da aber viele von ihnen nach der Expertise einer Historikerkommission als bedenklich oder gar sehr problematisch gelten, bekommen nun alle Straßenschilder Zusatztafeln. So kam die schwarzblaue Stadtregierung um die Debatte herum, die Namen der Hetzer, Nazis und Kriegstreiber aus dem Stadtbild entfernen zu müssen. 82 der 707 Straßenbenennungen stufte die Kommission 2018 als bedenklich ein, das sind rund 12 Prozent.

Maria Cäsar ist die Erste

Am Dienstag wurde die erste dieser Zusatztafeln angebracht, am Maria-Cäsar-Park. Cäsar, (kommunistische) Widerstandskämpferin gegen das NS-Regime und bis ins hohe Alter als Zeitzeugin und Mahnerin in Schulen sowie bei Vorträgen unterwegs, war die erste Wahl der Stadtregierung. „Es ist wichtig und richtig, dass der mutige Einsatz von Maria Cäsar gen die Gräueltaten nun auch im öffentlichen Raum gewürdigt wird“, begründete Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP). „Dank der zusätzlichen Informationen schaffen wir ein Stück Geschichte im öffentlichen Raum.“

Elf Tafeln folgen

Bis Mitte des Monats sollen elf weitere Tafeln angebracht werden, etwa an der Gabriel-Seidl-Gasse. Der Namensgeber lebte im 19. Jahrhundert, war Archäologe sowie Lyriker und schrieb unter anderem den Text für die Kaiserhymne „Gott erhalte“. Auch die Alfred-Coßmann-Gasse erhält demnächst eine erläuternde Beschreibung: Coßmann, gestorben 1951, war Grafiker und Kupferstecher – allerdings während der NS-Zeit auch Mitglied in der Reichskammer der bildenden Künste, jedoch nie NSDAP-Mitglied.

Hetzter und Antisemiten

Er gehört nicht zu den 20 Männern, deren Namenspatenschaft für Straßen in Graz von den Historikern in ihrem 1.000 Seiten starken Bericht als „sehr problematisch“ eingestuft wurden. Dazu zählen andere Personen, General Conrad von Hötzendorf etwa, der als Antisemit und Kriegstreiber des Ersten Weltkriegs gilt. Oder Igo Etrich, ein Techniker und Flugzeugbauer, der seit 1938 NSDAP-Mitglied war, ebenso wie Dirigent Karl Muck: Er forderte als Orchesterleiter in Bayreuth „judenfreie Festspiele“.

Ihre Straßennamen bleiben dennoch im Grazer Stadtbild, aber „durch das Aufzeigen der Taten der jeweiligen Personen macht die Stadt deutlich, dass sie sich ihrer historischen Verantwortung voll bewusst ist“, versicherte Stadtchef Nagl.

Pro Jahr sollen 90 Straßennamen mit Erklärstücken ausgestattet, bis 2028 soll das Projekt fertiggestellt werden (mehr zum Projekt). Auch im Online-Stadtplan werden die Zusatztexte eingefügt, das soll bis Mitte September dieses Jahres beendet sein.