Chronik/Österreich

300 Kassenstellen unbesetzt: Ärztekammer startet eine Petition

Die Ärztekammer hat angesichts des Ärztemangels in Österreich eine Petition ins Leben gerufen, „um das Ausmaß des Mangels sichtbar zu machen“. Zu Jahresbeginn 2023 waren österreichweit 300 Kassenstellen unbesetzt, so die ÖÄK in einer Aussendung am Donnerstag. „Dieser Trend ist wirklich besorgniserregend“, sagte dazu Ärztekammer-Präsident Johannes Steinhart.

Seit Jahren kenne die Entwicklung der unbesetzten Kassenstellen „nur eine Richtung - und zwar nach oben“, so die ÖÄK. Im Detail habe die aktuellen Erhebung ergeben, dass 176 Stellen für Allgemeinmedizin sowie 124 Facharztstellen nicht besetzt sind. Bei Letzteren sind nach wie vor Kinderheilkunde (29 offene Stellen), Frauenheilkunde (23) sowie Augenheilkunde (16) die größten Sorgenkinder, erklärte die Kammer.

„Wir haben jahrelang davor gewarnt, dass zum einen eine große Pensionierungswelle auf uns zukommt und gleichzeitig durch die Sparpolitik im Gesundheitsbereich Raubbau an der ärztlichen Ressource betrieben wird. Niemand wollte das hören, jetzt lässt sich die Lage nicht mehr schönreden“, so Steinhart. Daher habe man eine Petition mit konkreten Verbesserungsvorschlägen gestartet. Er appellierte an die Bevölkerung, diese Forderungen zu unterstützen.

„Wir müssen nun gemeinsam unsere Stimme erheben, damit man die immer größer werdenden Lücken in der niedergelassenen kassenärztlichen Versorgung nicht weiter beiseite wischen kann“, ergänzte Edgar Wutscher, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer und Bundeskurienobmann der niedergelassenen Ärzte.

Appell an Politik

Man habe „genug Sonntagsreden gehört, wir brauchen dringend Gegenmaßnahmen“. Es helfe nichts zu hören, dass ja nur drei Prozent der Kassenstellen offen seien. „Für jeden, der wochenlang auf einen Termin warten muss oder in seinem Bezirk keinen Kassenarzt mehr findet, ist das ein Schlag ins Gesicht“, so Wutscher.

Die Petition enthält beispielsweise Forderungen nach Bürokratieabbau, nach neuen Arbeitszeitmodellen und Entlohnungssystemen sowie die Ermöglichung der ärztlichen Medikamentenabgabe. „Nur so kann sichergestellt werden, dass auch in Zukunft junge Menschen gerne den Arztberuf ergreifen“, so Steinhart und Wutscher. Die Politik müsse rasch handeln und diese Verbesserungen umgehend durchsetzen beziehungsweise auch die Österreichische Gesundheitskasse mit genügend finanziellen Mitteln ausstatten.

Die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) wies die Aussagen der Ärztekammer zurück, die genannten Zahlen seien „so nicht korrekt“. Aktuell seien 97 Prozent aller Kassenplanstellen in Österreich besetzt. „Es sind 99 Stellen für Allgemeinmedizin, 72 Facharztstellen sowie 142 Stellen für Zahnmedizin unbesetzt“, hieß es in einem Statement zur APA.

ÖGK und Ministerium kontern

„Wechselseitige Vorwürfe und das Schlechtreden der Gesundheitsversorgung sind aus Sicht der Österreichischen Gesundheitskasse nicht sinnvoll und verunsichern Patientinnen und Patienten“, so die Gesundheitskasse. „Die ÖGK arbeitet kontinuierlich daran, die Rahmenbedingungen für die Vertragspartnerinnen und Vertragspartner noch attraktiver zu gestalten und an die Lebensrealität der neuen Generation der Medizinerinnen und Mediziner anzupassen, wie das auch bei der gemeinsam mit der Standesvertretung und dem Land NÖ beschlossenen Ärztebereitstellungsgesellschaft gelungen ist. Die Ärztekammer ist dazu eingeladen, sich hier konstruktiv einzubringen.

Kritik an der Ärztekammer zu einem anderen Thema kam unterdessen von Gesundheitsminister Johannes Rauch (Grüne). In einem Interview mit “medonline.at" sagte der Ressortchef, es liege am Widerstand der Kammer, dass es in Österreich zu wenig Primärversorgungseinheiten (PVE) gibt. “Ich verstehe es nicht„, so Rauch. Er sei nun dabei, die gesetzlichen Voraussetzungen “anders zu gestalten".

"Dass die Ärztekammer bei der Einrichtung einer Primärversorgungseinheit ein Vetorecht hat, halte ich für einen Anachronismus. Also wird es finanzielle Anreize und gesetzliche Rahmenbedingungen brauchen, um da Bewegung hineinzubekommen." Die finanziellen Anreize würden zur Verfügung stehen, man könne dafür bis zu 100 Millionen Euro an Mitteln von der EU bekommen. “Diese Chance zu vertun, wäre aus meiner Sicht ein Fehler, also müssen die gesetzlichen Rahmenbedingungen endlich her." In Richtung Ärztekammer sagte Rauch: “Meine Botschaft ist: Gebt diesen Widerstand auf. Das Hinhalten, das wird nichts nützen, der Druck wird ohnehin wachsen, aus den eigenen Reihen heraus. Vor allem bei Ärztinnen besteht der Wunsch, andere Arbeitsbedingungen zu haben, die mit ihrer Lebensrealität vereinbar sind."