Chronik/Oberösterreich

Immer ein offenes Ohr: Telefonseelsorge sucht Ehrenamtliche

Ich bin unglücklich in meiner Beziehung. Soll ich gehen oder bleiben?

Ich habe Streit mit meinen Nachbarn, das belastet mich und meine Familie sehr.

Mein Partner trinkt und wird dann immer wieder gewalttätig.

Unter meinen Kindern gibt es ständig Diskussionen. Die Disharmonie ist kaum zu ertragen.

Wenn es bei der Telefonseelsorge in Linz klingelt, geht es thematisch sehr oft um Beziehungsthemen, Kränkungen und Konflikte in allen Facetten. „Menschen wollen mit und in ihrer Geschichte wahrgenommen werden und sie besprechen“, weiß Silvia Breitwieser.

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Breitwieser ist seit 16 Jahren Leiterin der Telefonseelsorge Oberösterreich, die rund um die Uhr unter der Notrufnummer 142 erreichbar ist. Mehr als 17.000 Gespräche wurden 2023 geführt, viele davon telefonisch, wobei die Chat-Beratung stark am Wachsen ist. Die Beratungen und Gespräche finden anonym, vertraulich und kostenlos statt.

Anonym und kostenlos

„Dabei sind echtes Interesse und Aufmerksamkeit entscheidend. Wenn jemand zum Beispiel von Verlust und Trauer erzählt, geht es darum, diese schweren Gefühle stehen zu lassen und mit aushalten zu können“, erklärt Silvia Breitwieser. Das sei eine grundsätzliche Haltungsfrage: „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wissen: Es geht hier nicht um mich, meine Geschichte und meine Meinung. Wir sind im Hier und Jetzt, üben uns in Präsenz und teilen unsere Lebenskraft.“

Dahinter steckt eine umfassende Ausbildung mit viel fachlichem Know-how (siehe Zusatzbericht unten). Durchschnittlich 25 Minuten dauert eine Beratung am Telefon, per Chat rund 45 Minuten.

Alltag und Einsamkeit

Weitere Themen in der Beratung sind psychische Erkrankungen, Alltagsbewältigung gepaart mit Einsamkeit und im Chat, den vermehrt junge Menschen in Anspruch nehmen, um Selbstverletzung, Angst und Suizidalität. „Je jünger, die Menschen sind, desto weniger telefonieren sie. Sie schreiben lieber“, erklärt die Leiterin. Die Telefonseelsorge versteht sich als erste, niederschwellige Anlaufstelle für Sorgen und Probleme aller Art. Oft wird an weiterführende Einrichtungen vermittelt, etwa an die Caritas oder den Verein Migrare für Menschen mit Migrationshintergrund.

Nun gibt es die Telefon- und Chatberatung auch auf Englisch: „Wir haben in den vergangenen Jahren bemerkt, dass der Bedarf ständig steigt. Viele äußerten den Wunsch, sich so verständlich machen zu können.“

Die Gründe, warum Menschen ehrenamtlich in der Telefonseelsorge arbeiten, sind unterschiedlich: „Viele sagen, dass sie ein gutes Leben haben und nun etwas zurückgeben wollen“, erklärt  Leiterin Silvia Breitwieser. 103 Ehrenamtliche sind derzeit in OÖ tätig. Sie arbeiten alle vom Standort in Linz-Urfahr aus. 

Wer sich für die Tätigkeit interessiert, kann sich derzeit bewerben. Die Ausbildung beginnt im Frühjahr 2025. Wer aufgenommen wird, bekommt unter anderem Einblicke und Vertiefungen in Krisenintervention, Gesprächsführung und Psychiatrie. Schon während der Ausbildung gibt es  Hospitationstermine, bei denen  die Neulinge den Profis bei der Arbeit zusehen.

Die Ausbildung selbst ist kostenlos, im Gegenzug wird erwartet, mindestens drei Jahre bei der Telefonseelsorge ehrenamtlich mitzuarbeiten – in einem Ausmaß von mindestens zehn Stunden pro Monat.

„Supervision ist verpflichtend, die Arbeit passiert immer vom Büro aus. Das ist wichtig für die Psychohygiene“, weiß Breitwieser. Echte Vertraulichkeit müsse man sich aneignen, ebenso Neutralität: „Die eigene Meinung hilft den Menschen nicht. In der Ausbildung lernen die Ehrenamtlichen, unabhängig von ihren eigenen Vorstellungen  auf andere einzugehen.“

Infos zur Bewerbung auf ooe.telefonseelsorge.at

Telefonseelsorge Notrufnummer 142, rund um die Uhr, kostenlos, anonym. Chat tgl. 16 bis 23 Uhr (auch Englisch). Englischsprachige Telefonberatung jeden So. 13 bis 17 Uhr.