Chronik/Oberösterreich

Bernhards Wirtshäuser: "Viele glückliche Stunden“ beim Geßwagner in OÖ

von Gerhard Marschall

Thomas Bernhard war ein rastlos Suchender. In ungezählten Gasthäusern, vom Hausruck bis weit hinein in das Salzkammergut, kehrte er seinerzeit ein. Keines aber hat er in derart hohen Tönen gepriesen wie den Geßwagner in Ottnang.

„Dieses Wirtshaus ist nicht umsonst berühmt“, holt in Bernhards letztem Roman „Auslöschung“ der Icherzähler Franz-Josef Murau zu einem überschwänglichen Lob aus.

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„Das Wort Gesswagner erinnerte mich augenblicklich daran, daß [sic!] ich so viele glückliche Stunden in dem damit verbundenen Wirtshaus verbracht habe in Gesellschaft der Ottnanger, den Bergleuten, den Bauern, den Tischlern und Straßenarbeitern, die dort verkehren, verdanke ich, daß ich in meiner Betrachtung sehr früh weitergekommen bin. In keinem anderen Wirtshaus habe ich jemals eine solche durch und durch natürliche Ausgelassenheit als Heiterkeit erlebt, insofern ist das Wort Gesswagner für mich ein Zauberwort. Es ist der Mittelpunkt von Ottnang, das für seine ausgelassenen und geradezu lustigen Menschen bekannt und berühmt ist.“

"Normaler Gast"

Auch hier auf dem Land steht die Zeit nicht still, von ausgelassener, fröhlicher Wirtshauskultur ist wenig übrig geblieben. Einen einzigen Stammtisch, begründet vor 57 Jahren, gibt es am Sonntagvormittag beim Geßwagner noch. Die einstigen Jungbauern sind in die Jahre gekommen, können sich dafür gut an Bernhard erinnern.

„Er war ein ganz normaler Gast“, erzählt Franz Holl (71). Der Bauer hat damals von Bernhard den zu dessen Haus in Niederpuchheim gehörenden Grund gepachtet. Er sei immer am runden Tisch in der Ecke gesessen „und ist gar nicht so aufgefallen“, sagt Franz Ringer (73): „Man ist nicht viel mit ihm zum Reden gekommen.“ Eines hat sich bei Ringer eingeprägt: „Schöne Schuhe hat er immer angehabt. Handgemacht, teuer, sauber geputzt.“

Nüchternes Verhältnis

Im Ort sei nie schlecht über Bernhard geredet worden, ist sich die Runde einig. „Einmal mit seinem Heldenplatz ist er schon kritisiert worden“, wendet einer ein, und alle nicken. Dass das Theaterstück just in Ottnang, in Bernhards Haus, ganz hinten am Waldrand, entstanden ist, wissen sie. An ihrem nüchtern-bäuerlichen Verhältnis zum berühmten Mitbürger ändert das nichts.

Paul Geßwagner (43) und seine Frau Sonja (36) betreiben das Gasthaus seit 2006. Zuvor hat der Wirt in Tirol auf Haubenniveau gekocht. Anfangs sei es nicht leicht gewesen, daheim seine Vorstellungen umzusetzen. „Geht nicht, haben wir immer schon so gemacht“, habe er von Mutter Marianne oft zu hören bekommen. Bodenständiges sei gefragt. Dennoch habe er einiges adaptiert.

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Das Essen ist reichlich und ausgezeichnet, das Bier gut gezapft, der Wein noch ausbaufähig. Viel wird abgeholt. „Die Ottnanger gehen eher wenig fort“, sagt der Wirt. Weil zudem Personal nur schwer zu bekommen ist, ist an drei Tagen geschlossen. Als Familienbetrieb klein bleiben, lautet die Devise.

Der Hausbrauch

Von Bernhard weiß der Wirt nur aus Erzählungen der Eltern. Für das hymnische Lob hat er eine Vermutung: „Wahrscheinlich ist er mit der Großmutter gut z’schmeißen gekommen.“ Die habe als gebürtige Tirolerin mit ihrer Meinung nicht gegeizt. Das sei bis heute Hausbrauch. „Bei uns gibt es nichts hinterrücks. Wir sagen, was wir uns denken. Das ist von den Gästen immer gut aufgenommen worden.“