Chronik/Niederösterreich

Skurriles Hexen-Rollenspiel: Missbrauchte Techniker seine Stieftochter?

Was ging tatsächlich vor zwischen dem 56-jährigen Techniker und seiner minderjährigen Stieftochter aus dem Bezirk Wiener Neustadt? Wurde das Mädchen von seinem Stiefvater sexuell missbraucht, wie sie behauptet, oder ist der Mann Opfer einer Verschwörung des Kindes und dessen Mutter, wie er beteuert?

"Energetische Rituale"

Fakt ist: die beiden waren durch ein skurriles Rollenspiel verbunden, das sich um Hexen und magische Rituale drehte. Im Zuge dessen habe der 56-Jähriger seiner Stieftochter vorgegaukelt, es handle sich bei den von ihm geforderten geschlechtlichen Handlungen um "energetische Rituale aus der Hexenkunst und deren Durchführung sei zur Abwehr von Gefahren für und ihre Familie erforderlich", wie es der Staatsanwalt in seiner Anklageschrift formuliert.

Das Verbrechen des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person wirft er dem Mann vor. Denn das Mädchen soll an mehreren schweren Störungen gelitten haben, was auch eine Sachverständige im Prozess bestätigt. Doch davon will der Mann nie etwas bemerkt haben, behauptet er. Mehr noch: es gebe gar keine solchen Störungen, die Stieftochter würde diese nur vortäuschen, um ihn "schlecht ausschauen zu lassen".

Opfer oder Täter?

Er selbst stellt sich im Prozess als Opfer in diesem Fall dar. Jahrelang habe er seine damalige Ehefrau und deren Kinder unterstützt, das gemeinsame Haus gebaut und dafür nicht nur Zeit, sondern auch all seine Ersparnisse aufgewendet. "Dann hat sie mich betrogen und ich habe mich scheiden lassen", erzählt der 56-Jährige, der danach in ein anderes Bundesland übersiedelte. Trotzdem habe er sich auf Bitte seiner Ex-Frau nicht nur weiter um die Kinder gekümmert, sondern auch regelmäßig an den Wochenenden das Haus instand gehalten. "Nach einer Woche Arbeit bin ich drei Stunden lang hingefahren und habe dann oft bis nach Mitternacht gearbeitet", schildert er.

Erst als seine Dienste nicht mehr benötigt worden seien, habe man beschlossen, ihn loszuwerden. "An dem Tag, an dem er die letzten Arbeiten erledigt hatte", behauptet der Rechtsanwalt des Mannes. Dazu habe seine Stieftochter über Monate hinweg geplant, ihn durch das Rollenspiel zu belasten. "Es war ihre Idee. Ich wollte das gar nicht. Ich bin Techniker, habe mit Hexen oder Energetik überhaupt nichts zu tun. Aber sie hat immer durchgesetzt, was sie wollte", beteuert er. 

Stieftochter belastet Angeklagten schwer

Das Mädchen habe ihm einen Seitensprung anvertraut, ihn auch immer wieder gebeten, Arbeiten in ihrer Wohnung durchzuführen. "Ich wollte helfen. Rückblickend hätte ich es nicht machen sollen", gibt der Mann - zitternd und unter Tränen - zu Protokoll.

Seine Stieftochter sei von ihrem leiblichen Vater schlecht behandelt worden. "Er war Alkoholiker. Ich wollte ihr halt eine schöne Kindheit bereiten", schluchzt der 56-Jährige.

Dem gegenüber stehen allerdings zahlreiche sichergestellte Chat-Protokolle zwischen dem Mann und dem Mädchen, die ein anderes Bild zeichnen. "Wie erklären Sie sich, dass es da eindeutig so aussieht, als wären Sie der Aktive in diesem Rollenspiel gewesen?" will der Richter vom Angeklagten wissen. Schlüssig erklären kann das dieser nicht. 

"Hatte kein sexuelles Interesse"

Von seiner Stieftochter wird er massiv belastet. Diese schildert - sehr detailliert - mehrere sexuelle Handlungen mit dem 56-Jährigen, der aber trotzdem dabei bleibt: "Ich hatte überhaupt kein sexuelles Interesse an ihr, das war nie ein Thema für mich." Alle Vorwürfe seien frei erfunden.

Der Prozess wird vertagt.