Chronik/Niederösterreich

Korneuburg: 20 Jahre Haft für „Meisterin der Manipulation“

„Haben Sie nachgedacht?“, fragt die Richterin die Angeklagte. Immerhin lägen fünf Prozesstage hinter der 32-Jährigen, in denen sie sich mit einer Reihe von schweren Vorwürfen konfrontiert sah. „Ja“, antwortet diese. Sie lüge zu oft, gibt sie zu. „Aber dazu, was Sie Ihrer Tochter angetan haben, fällt Ihnen nichts ein? Als Mutter?“, setzt die Richterin nach. Tut es nicht. Die Angeklagte schweigt.

Beim letzten Verhandlungstag im Landesgericht Korneuburg drehte sich alles darum, wie die Beschuldigte tickt. Ist sie zurechnungsfähig? Liegt eine Persönlichkeitsstörung vor? Der Frau werden zwei Mordversuche an ihrem ehemaligen Lebensgefährten vorgeworfen. Im Juli 2022 soll sie den 42-Jährigen mit einer Mischung aus Methanol und „Magic Mushrooms“, verabreicht in einem Getränk, vergiftet haben. Der Mann kam gerade noch mit dem Leben davon, ist seither jedoch fast blind. 

Eindeutiges Gutachten

Der zweite Mordversuch soll  dann  im November gefolgt sein: Die 32-Jährige soll dem Mann unbemerkt Rohypnol und ein Muskelrelaxans verabreicht  und ihm, während er betäubt war, die Pulsadern aufgeschnitten haben. Wieder überlebte der Glinzendorfer (Bezirk Gänserndorf) nur knapp. Und er beschloss, die Beziehung zu beenden  – inklusive einer Streichung der Angeklagten aus dem Testament, laut dem sie im Falle seines Todes seinen Hof im Wert von rund drei Millionen Euro geerbt hätte.

Vorwürfe, die die 32-Jährige bis zuletzt bestreitet. Nur eines gibt sie zu: Einen Messerangriff auf sich selbst fingiert zu haben, den sie ihrem Ex-Partner anhängen wollte. „Sie inszenierte sich als Opfer und hat es bei der Tatrekonstruktion geschafft,  eine Gruppe von Experten  über eine Stunde  lang anzulügen“, führte Gutachter Peter Hoffmann vor Augen. Nur eines von vielen Indizien, das für ihn für eine Persönlichkeitsstörung spricht.

Tochter benutzt

Zurechnungsfähig sei die Angeklagte aber. Und fähig, Intrigen zu spinnen. Auch wenn sie beteuert: „Ich könnte nie in meinem Leben einem Menschen etwas antun.“ Im Falle der Verleumdung hatte sie jedenfalls eine Reihe von Menschen instrumentalisiert. 

Darunter ihre zwölfjährige Tochter, die die Selbstverletzung mitangesehen haben soll. Und sogar noch aus der Haft soll sie ihr Botschaften, versteckt in Schokoladetafeln, zukommen haben lassen – mit der Anweisung, für sie zu lügen.

„Die Angeklagte ist eine Meisterin der Manipulation. Fallen Sie nicht auch auf sie herein“, appellierte Staatsanwältin Gudrun Bischof an die Geschworenen. Verteidiger Sascha Flatz konterte,  dass seine Mandantin  in beiden Fällen die Einsatzkräfte alarmiert hatte, um den 42-Jährigen zu retten. Es gebe „zu viele Widersprüche“, um sie zu verurteilen. 

Schlussendlich aber wurde die 32-Jährige zu 20 Jahren Haft und der Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum verurteilt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Die Geschworenen bejahten die beiden Hauptfragen nach Mordversuch im Verhältnis von 6:2 bzw. 8:0. Einstimmig schuldig gesprochen wurde die 32-Jährige auch wegen falscher Beweisaussage und Verleumdung.

Mildernd wurde bewertet, dass es teilweise beim Versuch blieb

Mildernd wurde bei der Strafbemessung gewertet, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist. Hinzugekommen sind laut der vorsitzenden Richterin das teilweise Geständnis, die bisherige Unbescholtenheit und die leichte Herabsetzung der Dispositionsfähigkeit. Als erschwerend galten das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen und Vergehen, die massiven Folgen beim Opfer sowie dass die Taten gegen einen Angehörigen gerichtet wurden.

Die ausgesprochene Unterbringung in einem forensisch-therapeutischen Zentrum nach Paragraf 21 Absatz 2 Strafgesetzbuch fußt auch auf einer Expertise des psychiatrischen Sachverständigen Peter Hofmann. Der Gutachter bescheinigte der 32-Jährigen am Mittwoch zwar Zurechnungsfähigkeit, aber auch eine Persönlichkeitsstörung. Bei der Niederösterreicherin sei das "Lügen hochkrankheitswertig", es liege "eine sehr schwere Form des Lügens" vor.

Die 32-Jährige muss dem Opfer rund 193.000 Euro bezahlen. Rechtskräftig sind die Entscheidungen jedoch noch nicht. Die Verteidigung erbat sich Bedenkzeit, die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab.