Das Geständnis des Wilderers
Alois Huber war für ihn ein Lebensfreund. Kaum einer kannte den Wilderer und Vierfachmörder aus Großpriel besser als der pensionierte Bauunternehmer und Jagdfreund Herbert Huthansl aus Schallaburg.
Donnerstagfrüh schilderte er dem KURIER, was ihm der 55-jährige Schütze am Telefon gebeichtet hat. Das letzte Telefonat mit dem befreundeten Jagdkollegen endete mit einem umfassenden Geständnis. Huber gab laut Huthansl zu, dass er Menschen getötet und Häuser angezündet habe.
„Hätte mich die Polizei gelassen, wäre ich vor sein Haus gegangen und hätte gesagt, Lois, komm heraus. Der hätte niemals auf mich geschossen“, erzählt er dem KURIER.
Geständnis
Immer wieder geht Huthansl die unglaubliche Abschiedsbeichte seines Freundes durch den Kopf.
„Den Anruf um 7.10 Uhr werd ich mein Leben nie mehr vergessen“, sagt er.
„I krieg meinen Trieb nimmer los. Ich will mich verabschieden“, soll der Wilderer das Gespräch eröffnet haben. „Dann erzählte er, dass er die Burgi, seinen Hund, schon erlöst habe und er jetzt selber dran sei.“
Das Geständnis wurde von Sekunde zu Sekunde dramatischer: „Ich bin da Wilderer, den’s schon so lange suchen, und die Hütt’n hab’ i a angezündet“, soll Huber gestammelt haben.
Der Freund am anderen Ende der Leitung merkte die Verzweiflung des Wilderers. „Ich hab’ ihm gesagt, dass wir da rauskommen, dass wir das zum Guten wenden.“ Erst dann folgte der erschütterndste Teil der Beichte: „Drei Polizisten hab’ ich auch erschossen. Die haben mir eine Falle gestellt“.
Vom Freund getäuscht
Bis gestern sei er enttäuscht gewesen, dass die Polizei einem Wilderer auflauert, um ihn auf frischer Tat zu ertappen – und damit eine Katastrophe ausgelöst habe. Die Cobra jage doch Gangster und keine Wilderer. „Seit ich aber erfuhr, dass der Lois eine halbautomatische Waffe eingesetzt hat, weiß ich, dass er mit so etwas gerechnet haben muss. Da wurden ja über 50 Patronen gefunden. Wer hätte das nur ahnen können“.
Nach den neuesten Informationen glaubt auch Huthansl nicht mehr, dass sein Freund nur durchgedreht hat. „Er war ein Waffenliebhaber, ich hätte ihn auf 30 Gewehre eingeschätzt. Er hat öfters erzählt, dass er sich ein schönes Stück gekauft hat.“
Einzeltäter
Ob Huber sein Waffenarsenal oder die Trophäen am illegalen Markt gekauft haben könnte?
„Niemals“, sagt Huthansl. Noch unvorstellbarer sei es für ihn, dass Huber als Bandenmitglied auch Forstvillen geplündert und abgefackelt haben könnte. „Wenn, dann war er das alleine. Er war ein Einzelgänger durch und durch.“
Viele Hirsche habe der „Lois“ offiziell geschossen und ein Mal in Russland einige Elche erlegt. „In Ungarn waren wir auch gemeinsam auf der Jagd. Aber alles, was exotische Trophäen sind, hat er nicht selbst erlegt“, weiß der Jagdkamerad.
Leicht erklärbar ist für den Freund, wie Huber die Jagdhäuser oder die Hirschwechsel gefunden haben soll. „Als Holztransporteur kannte er zwischen Annaberg und Göstling jeden Weg und jede Hütte. Beim Nagy, wo ja auch das Jagdhaus niederbrannte, waren wir einmal gemeinsam mit dem Hegering jagen“, fügt sich für Huthansl ein Mosaikstein nach dem anderen zusammen.
Erste Beichte
Dennoch, es kommt keine derbe Beschimpfung, kein Fluch, keine Anschuldigung gegen den Freund über Huthansls Lippen. „Ich mache mir Vorwürfe, dass ich sein zweites Ich, sein Doppelleben, nicht erkannt habe. Vor zwei Wochen hat der Lois versucht, etwas Wichtiges loszuwerden.“
Bei einer Motorradtour nach Kirchberg machte Huber seltsame Andeutungen. „Ich bin schizophren. So geht es nicht weiter, es muss sich etwas verändern“, habe der „Lois“ gesagt. Huthansl: „Ich habe dabei nachgefragt, ob er nicht mehr alleine leben wolle, ob er nicht besser eine Frau zu sich nehmen will. Aber das hat er verneint. Ich fragte noch, was los ist, aber da hat er sich dann verschlossen.“
Huthansl plagen jetzt Selbstvorwürfe: „Es ist alles so unwahr. Hätt i gewusst, dass er in der Nacht herumzieht, hätt ich ihn hier bei mir angekettet.“
Das geht einem unbeschreiblich nahe, wenn man in die Augen der Kinder und der Frauen blickt. Auf dem Tisch ein Foto mit einer Kerze. Die Tränen – und immer wieder die Frage: Warum?“
Niederösterreichs Landespolizeidirektor Franz Prucher besuchte Mittwoch mit Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und dem Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, Konrad Kogler, die Familien der getöteten Polizisten. Mit drei Witwen und sechs teilweise noch kleinen Kindern waren sie konfrontiert. Nach dem Besuch rang der sonst so hartgesottene Polizeichef spürbar um Fassung.
Prucher zum KURIER: „Wir können das unsägliche Leid dieser Menschen nicht lindern. Aber wir können zumindest helfen, ihre materiellen Probleme zu mildern.“ So könne es nicht sein, dass etwa einem Kind ein Ausbildungsweg verwehrt wird, weil es an Geld fehlt. „Wir werden sie in die Zukunft begleiten, das haben wir ihnen versprochen – das sind wir ihnen schuldig.“ Deshalb begrüßt Prucher die Spendenaktion, die das Kuratorium Sicheres Österreich (KSÖ) mit seinem Präsidenten Erwin Hameseder und dem KURIER gestartet hat.
Das Echo auf die KSÖ-KURIER Aktion ist enorm. Bundespräsident Heinz Fischer: „Vorrangig ist es nun, die Hinterbliebenen in jeder Weise zu unterstützen. Ich begrüße daher die Aktion des KURIER und wünsche ihr viel Erfolg.“
Spontane Zusagen
Bereits am ersten Tag der Spendenaktion kamen viele spontane Zusagen. Auch am Donnerstag gingen wieder Spendenzusagen ein. So meldete sich der Reviernachbar des Täters, Georg Kapsch, beim KURIER: „Meine Betroffenheit und mein Entsetzen über diese Tat und das Leid, das dieser Todesschütze verursacht hat, ist grenzenlos. Als benachbarter und seit Langem mit dieser Causa befasster Revierinhaber gilt den Angehörigen der so engagierten Einsatzkräfte mein tiefes Mitgefühl. Jeder von uns stellte dem Täter nach, jedoch diesen kaltblütigen Wahnsinn haben wir alle nicht erwartet.“
Helfen wird auch die Wiener Städtische Versicherung. Landesdirektor Wolfgang Lehner: „Wir sind von den unfassbaren Ereignissen tief betroffen.Unsere Anteilnahme gilt den Familien der Opfer. Auch wenn wir das emotionale Leid nicht mindern können, möchten wir Ihnen mit Unterstützung dieser Aktion einfach helfen.“
Rotes Kreuz
Die Spendenaktion wird notariell begleitet. Zur Umsetzung hat sich das KSÖ für diese Aktion die Unterstützung des Roten Kreuzes gesichert. Für Rot-Kreuz-Chef Willi Sauer ist das keine Frage. Denn das Rote Kreuz hat in dieser Tragödie mit dem Sanitäter Johann Dorfwirth einen ganz besonderen, beliebten Kollegen verloren. Der Opferanwalt der Polizei wird auch Angehörige des getöteten Sanitäters vertreten. Die Kriseninterventionsteams des Roten Kreuzes wiederum betreuen die Hinterbliebenen der Opfer und alle weiteren Polizisten, die an der Amtshandlung beteiligt waren. Die Rot-Kreuz-Helfer stehen auch beratend dem KSÖ beim Einsatz der Spendenmittel zur Verfügung.
Ist der Vierfachmörder Alois Huber auch ein Einbrecher und Brandstifter, der zu allem Überfluss auch noch die streng geschützten Ötscherbären gewildert hat? Was zunächst wie ein schlechter Scherz anmutet, könnte tatsächlich Realität sein. Im Keller seines Wohnhauses in Großpriel wurden Spuren gefunden, denen zufolge der 55-Jährige auch für illegale Bären-Abschüsse infrage kommt.
Wie der KURIER in Erfahrung bringen konnte, wurden neben dem Arsenal von rund 250 Waffen auch zahlreiche exotische Jagdtrophäen vorgefunden. Darunter befinden sich auch ein „großer Berg“ verschiedenster Wildtier-Felle sowie Überreste von Bären. Dem Todesschützen sei es aufgrund seiner jagdlichen Kenntnisse durchaus zuzutrauen, dass er auch zahlreiche Braunbären gewildert hat, heißt es seitens der Polizei.
Nach einem Wiederansiedlungsprojekt des WWF im Ötschergebiet wurden in der Hochblüte bis zu 35 Tiere gezählt. Bis auf zwei sind alle auf ungeklärte Weise verschwunden. Das Bundeskriminalamt und das niederösterreichische Landeskriminalamt (LKA) führten daraufhin jahrelang Ermittlungen durch. „Es deutete natürlich einiges darauf hin, dass die Bären gewildert wurden“, erinnert sich Chefermittler Josef Friedl von der Umweltgruppe des LKA.
Nach den Funden im Keller des Todesschützen sollen nun die Beweisstücke mit der gespeicherten DNA der Ötscherbären verglichen werden, bestätigt Friedl. Ein Labor des Naturhistorischen Museums habe im Zuge des Projekts ein genetisches Monitoring durchgeführt und eine DNA-Datenbank erstellt. „Der Abgleich wird einige Wochen dauern“, sagt der Kriminalist. Man wolle nichts unversucht lassen, auch diese Fälle möglicherweise zu klären.
Parallel dazu laufen, wie berichtet, die Ermittlungen zu den „Halali-Coups“ – einer Serie von Einbrüchen und Brandstiftungen in Jagdschlösser und -villen.
Millionenschaden
Durch den Fund eines Arsenals von 250 Waffen im Keller von Alois Huber fiel der Verdacht auf den Todesschützen. Das nö. Landeskriminalamt hat einen Akt von 22 ungeklärten Einbruchsdiebstählen in Jagdanwesen zwischen 1999 und 2005. Dabei wurden reihenweise wertvolle Waffen und Trophäen gestohlen. An mindestens zehn verschiedenen Tatorten (siehe Grafik) wurde nach dem Einbruch ein Feuer gelegt.
Zu den spektakulärsten Taten zählten der Brand des Jagdschlosses „Inku“ im Steinbachtal bei Göstling, Bezirk Scheibbs, und die niedergebrannte Jagdvilla der bekannten Hutmacher-Familie Nagy im Oktober 2004 in Gutenstein bei Wiener Neustadt.
Die Serie hat den mittlerweile pensionierten Chefermittler im Fall „Halali“, Rudi Scheidl, und sein Team jahrelang beschäftigt. Der Schaden betrug an die zehn Millionen Euro. Zunächst ist man von einer als „Halali-Bande“ bezeichneten Tätergruppe ausgegangen. Aus heutiger Sicht könnten laut Scheidl einige Fälle aber genauso auf das Konto eines Einzeltäters gehen. Die Liste der nach wie vor verschwundenen Jagdwaffen umfasst 75 Exemplare, die meisten davon Gewehre. „Diese Liste wird nun mit den Seriennummern jener Waffen verglichen, die man im Keller des Mörders gefunden hat“, erklärt ein Kriminalist.
Schussfolge
Am Donnerstag wurde die Tatortarbeit im Haus des Täters unterbrochen. Zum einen standen die Obduktionen der drei getöteten Polizisten sowie des Rotkreuz-Sanitäters auf dem Plan. Zum anderen wurde die Spurensicherung an allen eingesetzten Fahrzeugen fortgesetzt. Es geht darum, die Ereignisse rund um den tödlichen Schusswechsel von Annaberg rekonstruieren zu können.
Den Ermittlungen zufolge hatte der Täter auf seiner Flucht nicht nur ein Jagdgewehr mit spezieller Nachtsicht-Optik, sondern zumindest auch eine halbautomatische Waffe dabei. Das erklärt den Kugelhagel, der auf die verschanzten Polizisten abgefeuert wurde. Auch der Täter selbst bekam etwas ab: Bei der Obduktion wurde ein Streifschuss am Bauch festgestellt.