Chronik/Niederösterreich

Ländlicher „Sehnsuchtsort“ mit Hürden

Früher war von Landflucht die Rede. Vor allem das Fehlen von Jobs zwang die Jugend zu einem Umzug in urbanere Regionen. Das hat sich jedoch in den vergangenen Jahren mancherorts geändert. Die Gründe, vor der Stadt zu flüchten, wurden mehr. Das zeigt sich auch in einer aktuellen Studie des Demox-Instituts für den Gemeindebund. Die Sehnsucht nach einem Leben am Land ist durch die Pandemie gewachsen.

Gut ein Viertel der Befragten (Stichprobe von 1.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmern österreichweit) gaben online an, dass sich der Wunsch nach einem Leben im Grünen bzw. am Land deutlich verstärkt hat, 30 Prozent finden, er hat sich etwas verstärkt. 37 Prozent erkennen keiner Veränderung. Gemeindebund-Präsident Alfred Riedl sieht die Zahlen als Beleg dafür, dass der ländliche Raum wieder zum „Sehnsuchtsort“ geworden sei.

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Homeoffice-Trend

Dass die Nachfrage etwa für Immobilien im Waldviertel seit 2020 noch um einiges zugenommen hat, bestätigt etwa Immobilienexperte Peter Weinberger. Es habe trotz der Pandemie keine Preis-Einbrüche bei Wohnimmobilien gegeben, auch Investmentimmobilien seien weiterhin stark gefragt, der Homeoffice-Trend steigert die Nachfrage nach Einfamilienhäusern und Baugrundstücken im Waldviertel und sie sprechen von einer Renaissance der Zweitwohnsitze.

Die spürt man in der Bezirkshauptstadt Horn. Dort kamen im Vorjahr 113 Nebenwohnsitzer (im Vergleich zum Jahr 2020) dazu. „Das ist schon eine sehr hohe Zahl für uns“, sagt Jürgen Maier, ÖVP-Bürgermeister von Horn. Den Anstieg bei Zweitwohnsitzern lässt sich aber nicht nur mit dem Wunsch auf ein Leben im Grünen oder durch die Coronavirus-Pandemie erklären. Maier sieht den Zusammenhang stark mit der Parkpickerl-Thematik. Viele verlegten deshalb ihren Hauptwohnsitz nach Wien, um weiterhin das Auto bequem abstellen zu können. Doch natürlich werde auch die Lebensqualität geschätzt, glaubt Maier. „Speziell Horn ist in pendelbarer Distanz von Wien, das nimmt man in Kauf. Der ländliche Raum erlebt eine Renaissance.“

Von der Immobilienseite „Wohnen im Waldviertel“ werden aber etwa auch „Klimaflüchtlinge“ genannt. Die Sommer in der Stadt werden heißer, viele planen deshalb ihre Zukunft in Waldnähe.

Geburtenstatistik

Doch die Angebotsverknappung bei gebrauchten Objekten bereite den Experten bei „Wohnen im Waldviertel“ Sorge. Außerdem steigen die Baukosten. „Die Nachfrage ist an sich größer als wir jetzt an freien Flächen und Baugründen überhaupt anbieten können“, sagt Maier.

Gleichzeitig verliert das Waldviertel allgemein aufgrund der stark negativen Geburtenbilanz in Summe weiterhin Einwohnerinnen und Einwohner.

Daher beschäftigt sich die Initiative „zuHaus im Waldviertel“ damit, für Bevölkerungszuwachs zu sorgen, in dem man sich mit Partnergemeinden zusammengeschlossen hat. Da gehe es in erster Linie um Leerstandsbelebung, sagt Peter Keller, Initiator der Gemeinschaft. Es gäbe viele, die ihre Liegenschaften nicht verkaufen wollen: „Manche haben eher Angst vor Zuzug.“

Deshalb führen die Gemeinden eine Leerstanderhebung durch. Die Initiative nimmt in weiterer Folge Kontakt mit den Eigentümern auf. „Wir beraten, was die Vor- und Nachteile sind“, sagt Keller. „Wenn das Haus lange leer steht, verursacht das weitere Kosten und schadet der Ortsgemeinschaft.“ Da viele Menschen das Geld aber nicht unbedingt brauchen würden, sei das oft harte Arbeit.

Für Personen, die dann neu in den Ort ziehen, gibt es dann noch ein besonderes Angebot: Jeder, der es will, bekommt einen einheimischen Guide zur Seite gestellt. So würden sich Zugezogene schneller einleben und zusätzlich der Ortsbevölkerung nicht fremd bleiben. „Eine Win-win-Situation“, meint Keller.