Chronik/Niederösterreich

„Betonhauptstadt“: Bausperre beginnt erst jetzt zu greifen

Die höchste Pro-Kopf-Quote an verbauter Fläche hat Wiener Neustadt den fragwürdigen Titel „Betonhauptstadt“ Österreichs eingebracht. Um dem uneingeschränkten Wildwuchs an Beton- und Ziegelbauten einen Riegel vorzuschieben, hat die Gemeinde bereits 2019 eine generelle Bausperre für Projekte mit mehr als zehn Wohneinheiten verhängt. Nach der Veröffentlichung der aktuellen Bauträgerdatenbank kommt jedoch Kritik an der Sinnhaftigkeit dieser Maßnahme auf. Denn auch 2020 wurde in keiner Stadt Niederösterreichs mehr gebaut, als in Wiener Neustadt.

Traut man den Zahlen des Bundesamtes für Eich- und Vermessungswesen, rangiert Wiener Neustadt mit 583 Quadratmetern verbauter Fläche pro Einwohner im Österreich-Vergleich an erster Stelle. Bei der Stadtgemeinde zieht man diese Daten in Zweifel. Rechnet man das gesamte gewidmete Bauland plus alle Verkehrsflächen, kommt man laut Baustadtrat Franz Dinhobl (ÖVP) auf 528 verbaute Fläche, ohne dem Flugplatz-West (Natura-2000-Gebiet), seien es „nur“ 432 . „Und der Flugplatz ist sicher keine versiegelte Fläche“, betont Dinhobl.

Einfamilienhäuser prägen das Stadtbild

Der hohe Bodenverbrauch pro Kopf komme laut dem Stadtrat daher, dass das Stadtbild von Einfamilienhäusern geprägt ist, sprich eine geringe Bewohnerdichte hat. Das solle im Sinne der Lebensqualität auch so bleiben. „Klar ist, desto größer und höher man baut, umso besser wird die Bodenbilanz“, sagt Dinhobl. Es seien derzeit aber schon ausreichend große Projekte in der Pipeline.

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Mit dem Stadtentwicklungsprozess 2030 will die Gemeinde eine „städteplanerische Richtschnur“ für mindestens zehn Jahre erarbeiten. Damit aber nicht ein Wohnblock nach dem anderen diese Bestrebungen zunichte macht, muss seit 2019 jedes Vorhaben über zehn Wohneinheiten über den Tisch des „Fachbeirates zur Entwicklung und Planung von Wohn- und Gewerbeobjekten“.

Nur jene Projekte, die ausdrücklich vom Baudirektor, den Verkehrsplanern und den anderen Mitgliedern des Beirates empfohlen werden, bekommen grünes Licht für ein Bauverfahren.

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Laut Bauträgerdatenbank war Wiener Neustadt im Vorjahr mit fast 3.000 geplanten und fertigen Wohneinheiten, zwei Drittel davon von gemeinnützigen Bauträgern, die klare Nummer eins der niederösterreichischen Städte.

Ein Großteil der nun in Umsetzung befindlichen Bauvorhaben wurde aber vor dem Inkrafttreten der Bausperre behördlich abgehandelt. „Darauf hat der Beirat klarerweise keinen Einfluss mehr“, erklärt Dinhobl.

11 Vorhaben wurden abgelehnt

Im Vorjahr wanderten insgesamt 18 Projekte über den Tisch des Fachbeirates. Nur sieben davon wurden positiv beurteilt und freigegeben. Grünes Licht erhielten nur jene Vorhaben, die beispielsweise auch der Entwicklung der Stadt helfen und den Bau von Kindergartengruppen, oder betreute Wohnplätze beinhaltet haben, heißt es aus dem Rathaus. Auch ein Projekt, das auf einem bereits versiegelten Firmenareal entstehen soll, ist darunter. Ausgenommen von der bis 2022 verlängerten Bausperre ist das Areal des alten Stadions. Es wurde von der Stadt für den Bau von 500 neuen Wohnungen verkauft.