Chronik/Niederösterreich

"Wasser stand bis zum Nabel": Hollabrunn nach Unwetterchaos Katastrophengebiet

Das Wasser ist großteils abgepumpt. Doch der Schlamm ist überall. Auf Möbeln, auf den Straßen, in Gebäuden: Eine schwere Unwetterfront hat die nö. Bezirkshauptstadt Hollabrunn Freitag Abend getroffen. Am Tag danach werden die Schäden sichtbar.

Alexander Rausch ist Samstagfrüh schlammverschmiert. Der Obmann des Hollabrunner Volksfestvereins hat die Nacht durchgemacht, nachdem das Unwetter die Veranstaltung mit voller Wucht getroffen hatte. Eine Hüpfburg wurde weggeweht, das Festzelt drohte einzustürzen und musste evakuiert werden, Gitter und Schirme flogen durch die Gegend. Besucher liefen panisch weg.

"Wir hatten alle Glücksengel dieser Welt", berichtet Rausch, der gerade aus Raschala kommt, wo das Haus einer Familie unter Wasser steht. Gemeinsam mit mehreren Schaustellern hilft er, zu retten, was zu retten ist.

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Denn obwohl die Szenerie chaotisch war - das Wetter hatte innerhalb weniger Minuten komplett umgeschlagen - wurde niemand ernsthaft verletzt. Der nebenan gelegene Stadtsaal wurde kurzerhand geöffnet, geschockte Besucher bekamen hier Decken, wurden von der Rettung betreut. 

Augustwiesn wird aufsperren

Die Fahrgeschäfte selbst wurden nicht beschädigt. Darum soll die Hollabrunner Augustwiesn am Samstag um 14 Uhr wieder eröffnet werden. "Da geht es auch um unser finanzielles Überleben", sagt Rausch.

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Doch die nächste schlechte Nachricht folgt Samstag-Vormittag bereits: Eine weitere Schlechtwetterfront am Nachmittag wird erwartet.

Überall Schlamm

Ein paar Meter weiter, gleich neben den unterspülten Bahngleisen, schaufeln Freiwillige seit den Nachtstunden den Schlamm aus der Tennishalle. "Das Wasser war einen dreiviertel Meter hoch - an der Bande sieht man das eh noch. Es hat ein Tor eingedrückt", schildert eine Helferin. Man versucht, die sensiblen Bodenbeläge zu retten, schaufelt per Hand. Ein Auto, das wenige Stunden davor noch vor der Halle stand, ist inzwischen weg. "Alles voller Dreck drinnen. Aber es ist angesprungen."

Auf der anderen Straßenseite räumen Feuerwehrleute das Erdgeschoss der Tagesstätte der Sonnendach Behindertenhilfe aus. Die Möbel sind kaputt, der Müll stapelt sich. Die Tagesstätte inklusive Tischlerei, so erzählt Sonja Dürnsteiner, die kaufmännische Leiterin, wird bis auf Weiteres geschlossen werden müssen. 

"Als ich gestern gekommen bin, ist mir das Wasser bis zum Nabel gestanden", schildert Wohnheim-Leiterin Regina Staffl. "Jemand hat mich mit dem Traktor hergeführt, alles war gesperrt. Übers Fenster bin ich schließlich ins Gebäude gekommen." Die Türen konnten zu dem Zeitpunkt nicht mehr geöffnet werden.

Flucht ins Büro

Neun Klienten und vier Mitarbeiter waren vor Ort, als das Wasser ins Gebäude eindrang. Doch zumindest beim Wohnhaus ging es glimpflich aus. Dort stieg das Wasser nur auf wenige Zentimeter. Dennoch: Einige der Bewohner gerieten in Panik. Der Strom war ausgefallen, die Toiletten waren kaputt. Um zumindest einen Fluchtweg zu haben, wurden sämtliche Anwesende ins Büro verfrachtet. "Dort hätten wir über die Fenster fliehen können", schildert Staffl.

Bürgermeister Alfred Babinsky und Bezirkshauptmann Karl-Josef Weiss machen sich am Samstag einen Eindruck von den Schäden. "Bei all dem, was wir hier sehen, müssen wir trotzdem sagen, dass wir Glück hatte", so der Bürgermeister und blickt in Richtung des Augustwiesn-Geländes. "Das hat wirklich gut funktioniert, das hätte schlimm ausgehen können." 

Auch ein großräumiger Stromausfall blieb der Gemeinde erspart. "Das Umspannwerk war an der Kippe. Ein paar Zentimeter Wasser mehr und alles wäre ausgeknipst gewesen."

Bahnverbindung unterbrochen

Insgesamt 700 Feuerwehrleute waren seit gestern in und um Hollabrunn im Einsatz. Am Samstag waren noch Auspumparbeiten, Straßenreinigungen und Aufräumarbeiten durchzuführen. 

Die Bahnverbindung zwischen Hollabrunn und Göllersdorf war wegen unterspülter Gleise gesperrt. Diese Sperre dürfte bis 13 Uhr dauern. In der Zwischenzeit fahren Ersatzbusse.

Wer helfen will: Die Behindertenhilfe Sonnendach hat ein Spendenkonto. IBAN: AT87 3232 2000 0005 6077

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Im Anschluss an eine Lagebesprechung mit den Einsatzkräften hielt Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner fest: „Ein herzlicher Dank an die hunderten Kameradinnen und Kameraden der Feuerwehren und die zahlreichen freiwilligen Helfer, die seit 24 Stunden im Einsatz sind und beste Arbeit geleistet haben.“ Das Wichtigste sei, „dass keine Menschen zu Schaden gekommen sind".

Eine konkrete Schadenssumme werde sich erst im Laufe der kommenden Tage und Wochen abschätzen lassen, meinte die Landeshauptfrau, die Bezirkshauptmannschaft rechne allerdings schon heute mit Schäden im einstelligen Millionen-Bereich. Aber, so Mikl-Leitner: „Seitens des Landes Niederösterreich werden wir die Region unterstützen und werden dazu Mittel aus dem Katastrophenfonds freigeben.“

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Samstag Nachmittag kam das Unwetter dann auch in der Bundeshauptstadt Wien an. Innerhalb kurzer Zeit standen Straßen unter Wasser. In Unterführungen blieben Autos im Wasser stecken – etwa in der Mooslackengasse in Döbling. Auch beim Stephansdom gab es einen Feuerwehreinsatz. Dort hatte sich ein Teil des riesigen und schweren  Transparents gelöst, das den Dom während der Bauarbeiten umhüllt.