Chronik/Niederösterreich

Armutsfalle Teilzeit: Frauen sind deutlich stärker betroffen

Die gute Nachricht zuerst: In den vergangenen 15 Jahren hat sich die Frauenquote am Arbeitsmarkt verbessert. Die Erwerbsbeteiligung der nö. Frauen hat sich jener der Männer angenähert: von 70 auf 80 Prozent, während jene der Männer nur von 78 auf 82 Prozent anstieg.

Das Problem: Fast jede zweite unselbstständig beschäftigte Frau arbeitet Teilzeit – Tendenz steigend. 81 Prozent der 220.000 Teilzeitkräfte in Niederösterreich waren 2021 weiblich. „Und sie arbeiten im Schnitt nur 20 Stunden pro Woche. Das ist nicht existenzsichernd“, warnt Sven Hergovich, Geschäftsführer des AMS NÖ. Die Folgen seien weitreichend. „Sie haben weniger berufliche Entwicklungsmöglichkeiten, bei Jobverlust geringere Arbeitslosenbezüge und ihre Pension liegt 41 Prozent unter jener der Männer.“ Angesichts drastisch steigender Kosten führe dies in die Armutsfalle.

Weiterbildung ist wichtig

WIFO-Ökonomin Christine Mayerhuber bestätigt: „Ärmere Haushalte sind von der Preissteigerung dreifach betroffen.“ Durch Verschuldung, Einschränkungen bei Konsumausgaben und nötigen Reparaturen sowie gesundheitlichen Auswirkungen, weil hochwertige durch billigere Lebensmittel ersetzt werden müssen.

Hauptgrund für Teilzeit sind Betreuungspflichten für Kinder oder pflegebedürftige Erwachsene. Mehr als 45 Prozent der Frauen geben dies als Begründung an. Nur ein Viertel entscheide sich aus anderen Gründen gegen eine Vollzeit-Stelle. Hergovich appelliert, Qualifizierungsangebote anzunehmen. Frauen seien in gut bezahlten Branchen unterrepräsentiert. Das AMS-Programm FIT (Frauen in Handwerk und Technik) schaffe hier einen Ausgleich.

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Jede vierte Absolventin österreichweit kommt aus NÖ. „Vor dem Einstieg war mehr als ein Drittel langzeitarbeitslos, zwei Jahre nach der Ausbildung befanden sich 76 Prozent der Absolventinnen in Beschäftigung. Darauf hofft unter anderem Doris Wölfer, die gehörlose Niederösterreicherin bereitet sich aktuell im FIT-Programm auf ihren Wiedereinstieg ins Berufsleben vor. Nach Tätigkeiten als technische Zeichnerin und Gebärdensprach-Dolmetscherin wurde sie 2021 arbeitslos. Durch die Beratung sei sie nun ihr Interesse in Richtung Informationstechnologie geweckt worden, berichtet sie. Die Finanzierung einer Gebärdensprach-Dolmetscherin wurde der 51-jährigen bewilligt.

„Im Schnitt ist das Einkommen der Teilnehmerinnen nach dem Programm um 632 Euro monatlich höher“, so Hergovich. Im Übrigen fordere er „eine Politik, die ordentliche Löhne garantiert“ und einen Ausbau der Sozialleistungen. Denn: Die Produktivität im Land steigt stärker als die Einkommen. Im Schnitt arbeitet ein Vollzeit-Beschäftigter mehr als 41 Stunden pro Woche.