Walbersdorf: Haus für Fabrikanten und Landeshauptleute
Von Thomas Orovits
In diesem Haus überlagern sich mehrere Geschichten. Das ehemalige Fabrikantenwohnhaus in der Berggasse 2 in Walbersdorf wurde um 1900 erbaut. Es war Teil und ist heute letztes Überbleibsel der von 1867 bis 1983 bestehenden „ersten Walbersdorfer Dampfziegelei des Johann Prost“. Als solches zeugt es von der beginnenden Industrialisierung des agrarischen Westungarns in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts.
Das „Prost-Haus“ hat zwar architektonisch Bezug auf die damals allgegenwärtigen Streckhöfe genommen, aber der Stil des ländlichen Späthistorismus hat das Fabrikantenhaus zugleich deutlich von den Häusern der Arbeiter und Kleinbauern ringsum abgehoben.
Und nicht zuletzt war das Domizil des Ziegelfabrikanten auch Wohnsitz zweier Landeshauptmänner des Burgenlandes in der Ersten und der Zweiten Republik. Prosts Schwiegersohn Anton Schreiner (Landeshauptmann 1928-1929 und 1930-1931) und Schreiners Schwiegersohn Lorenz Karall (1946-1956) lebten hier.
Vor dem Verfall gerettet
Dieses mehrfache Denkmal des Burgenlandes scheint nun vor dem Verfall gerettet. Lukas Koch vom gleichnamigen Mattersburger Betonwerk, dessen Familie das leer stehende und baufällige Ensemble erworben hat, verspricht eine behutsame und eng am Original bleibende Restaurierung. Mit welcher Nutzung? Koch denkt an ein Seminarzentrum, dafür gebe es von der Stadtgemeinde Mattersburg als Baubehörde auch die Genehmigungen. Unter Denkmalschutz steht das Haus jedenfalls nicht.
Offenes Prost-Haus
Das Prost-Haus ist aber auch ein Fall für die Wissenschaft: Studierende der Architekturfakultät der Technischen Universität Wien haben sich unter der Leitung von Professor Nott Caviezel und dessen Assistenten Dimitri Egorov Gedanken über Restaurierung und Nachnutzung des rund 5.000 großen Areals mit Park, Prost-Haus und dem angebauten Wohnhaus Karalls gemacht. In größeren Gemeinden des Burgenlandes finde man zwar dem Prost-Haus stilistisch ähnliche Bauten, aber „in einem so kleinen Ort wie Walbersdorf ist das etwas Besonderes“, so Egorov.
Die Liste der studentischen Vorschläge reicht vom Gasthaus bis zum Forschungszentrum fürs Betonwerk. Die Ideen klingen in Kochs Ohren zwar interessant, seien aber eher „fiktiv“.
Am Dienstag kann man sich selbst ein Bild machen. Das Haus Prost samt Garten ist am 24. August erstmals seit Jahrzehnten wieder der Öffentlichkeit zugänglich. Nach einem Open House (14 bis 18 Uhr) mit freier Besichtigung und Fotoschau der studentischen Vorschläge werden die Projekte von Professoren und Studenten eingehend präsentiert (18-19 Uhr). Den Abschluss bildet ein Vortrag des Publizisten Günter Unger: „Schauplatz burgenländischer Zeitgeschichte“.