Doskozil an Christian Kern: "Es wäre gut, wenn du unser Bundeskanzler wärst"
Von Thomas Orovits
Vielleicht war es der ungewohnte Termin am Freitag, um 17 Uhr. Jedenfalls staute es sich kurz vor Beginn des roten Parteitags vor dem Eisenstädter Kulturzentrum ordentlich. Selbst ehemalige Landesräte mussten sich brav anstellen.
Der SPÖ-Landesparteitag begann dann mit einigen Minuten Verspätung.
Gut drei Monate vor der Landtagswahl am 19. Jänner 2025 lud die seit 2020 absolut regierende "Liste Doskozil - SPÖ Burgenland" zum Landesparteitag, der zum Wahlkampfauftakt geriet.
Zu "Dancing in the Dark" von Bruce Springsteen, dessen Konzerte Landeshauptmann Hans Peter Doskozil mindestens ebenso begeistern wie Spiele von Borussia Dortmund, zog der polarisierende rote Grande in den Saal.
Die Einpeitscherrolle vor mehr als 1.100 Gästen, davon 277 ordentliche Delegierte, übernahm das Landesgeschäftsführer-Duo Kevin Friedl und Jasmin Puchwein.
Die ÖVP wolle die SPÖ unter allen Umständen aus der Landesregierung drängen und werde dafür mit der FPÖ zusammenarbeiten, wurde Schwarz-Blau an die Wand gemalt und die Fortsetzung des "burgenländischen Weges" beschworen.
Die burgenländischen Genossen wollten beim Landesparteitag unter sich bleiben, von der Bundespartei oder Landesparteien war niemand eingeladen.
Als Gastredner willkommen war aber Ex-Kanzler Christian Kern, der mit den Delegierten "einige Gedanken teilen" wollte - vom Vormarsch rechter Parteien und Ideologien in Europa und den USA bis zur Lage der SPÖ.
Angesichts der bevorstehenden Koalitionsverhandlungen nach der Nationalratswahl brauche man eine "langfristige Strategie, kein Stückwerk". Es reiche nicht "Politik für unsere Leute zu machen" und am Ende habe man lediglich "Yogalehrer aus dem 7. Bezirk und einen kläglichen Anteil von Pensionisten" gewonnen.
Und Kern versuchte sich auch in der Rolle des Brückenbauers zwischen der SPÖ in Wien und im Burgenland. Die SPÖ im Burgenland habe bewiesen, dass die Sozialdemokratie auch in ländlichen Strukturen erfolgreich sein könne. Und Wien sei nicht durch Zufall international die lebenswerteste Stadt.
Es dürfe nicht entweder-oder heißen, sondern sowohl als auch, appellierte Kern an eine Versöhnung der verfeindeten Lager innerhalb der SPÖ. „Wenn wir das nicht erreichen können, werden wir nie wieder den Machtanspruch stellen können“, betonte Kern.
Zum Schluss gab es noch eine Mutinjektion: Auf eine Journalistenfrage, ob die SPÖ im Burgenland die absolute Mehrheit halten könne, habe er gesagt: "Nein, das glaube ich nicht, sondern ich glaube, sie wird die absolute Mehrheit ausbauen".
Dafür, dass Kern der Doskozil-Partei so viel zutraut, revanchierte sich der Gastgeber mit dem Satz: "Es wäre gut, wenn Du, Christian, unser Bundeskanzler wärst".
Aber über die von Kern zuvor aufgebaute Friedensbrücke wollte Doskozil nicht gehen. Im Gegenteil.
In der großen Familie der Sozialdemokratie habe man zwar dieselben Grundsätze, so Doskozil in seiner mehr als 70-minütigen Rede, aber es "muss erlaubt sein, einen eigenständigen Weg umzusetzen, von dem wir glauben, dass er der richtige Weg ist".
Wie der eigenständige Weg innerhalb der SPÖ ausschaut? Man dürfe die 30 Prozent der FPÖ bei der Nationalratswahl nicht ins Eck stellen, sondern sie ernst nehmen und Lösungen anbieten.
Doskozil: "Wir machen nicht für die politische Elite Politik, sondern für alle Menschen.
Es sei "ewig schade, dass Menschen, die tagtäglich arbeiten gehen, davon nicht leben können", brach Doskozil wieder eine Lanze für sein zentrales Anliegen: "Ich würde mir wünschen, dass der burgenländische Mindestlohn (2.270 Euro netto, Anm.) über ganz Österreich ausgerollt wird", sagte Doskozil, um sofort anzufügen: "Ich weiß, das wird nicht passieren".
Wer dagegen ist? Die SPÖ im Bund und in Wien wohl und Teile der Gewerkschaft.
Sollte Wien tatsächlich burgenländische Gastpatienten in Spitälern abweisen, erwägt er, im Gegenzug die Grundversorgungsvereinbarung zu kündigen.
Außerdem will er bei der Grundversorgung eine Obergrenze einziehen und diese nur noch leisten, wenn die Bezieher bereit sind, gemeinnützig im Land oder in den Gemeinden mitzuarbeiten und sich zu integrieren.
Fürs Burgenland kündigte Doskozil weitere Schritte auf dem eigenständigen Weg an: Es werde gesetzlich verankert, dass mit dem Betrieb von Pflegeheimen kein Gewinn gemacht werden dürfe.
Die Vamed-Liegenschaften in Bad Sauerbrunn und Eisenstadt will das Land vom neuen französischen Eigentümer zurückkaufen.
In eine neue burgenlandweite Energiegemeinschaft sollen die Anlagen der Burgenland Energie eingebracht werden, der Energietarif auf Jahrzehnte fix sein. Und 100 Kilometer mit einem Elektroauto sollen nicht mehr als 3,50 Euro kosten.
Das Publikum im Saal dankte mit Dosko-Rufen, nach 20 Uhr stand dann die Wiederwahl Doskozils an.
Bei seiner dritten Wahl erhielt er 99,6 Prozent der Stimmen, sein bisher bestes Ergebnis.