Berühmte Kaiseradlerdame Artemisia tödlich angeschossen
Von Katharina Zach
Sie war Österreichs berühmtester Kaiseradler. Artemisia "bereiste" in ihrem ersten Lebensjahr halb Europa, flog von Österreich nach Griechenland und dann über die Niederlande, Belgien und Luxemburg bis nach Frankreich. Nun ist die Adlerdame tot. Sie wurde mit schweren Schussverletzungen im burgenländischen Zurndorf gefunden und musste eingeschläfert werden.
„Es ist traurig und blamabel, dass Artemisia auf ihrer langen Reise durch Europa von der Öffentlichkeit wohlwollend begleitet und ihr – kaum in der Heimat zurück – auf derart brutale Weise nachgestellt wurde“, ist Matthias Schmidt von BirdLife Österreich erschüttert.
Es war der 5. Mai, als Mitarbeiter des Nationalparks Neusiedler See-Seewinkel die schwer verletzte Adlerdame fanden. Sie war nicht mehr flugfähig und hatte viel Blut verloren. Sofort brachten sie das Tier in die von den "Vier Pfoten" geführten Eulen- und Greifvogelstation Haringsee (EGS), doch die Verletzungen waren zu gravierend, Artemisia musste eingeschläfert werden.
Ein Gutachten ergab schließlich, dass die Adlerdame - offenbar sitzend - angeschossen worden war. Die Kugel hatte sie an den Beinen getroffen und diese nahezu abgetrennt. Trotzdem schleppte sich der Kaiseradler noch stundenlang durch das Revier, ehe sie gefunden wurde. Sie müsse Höllenqualen gelitten haben, sind sich die Mitarbeiter von BirdLife Österreich sicher.
"Wir haben in den vergangenen Jahren viele grausame Fälle illegaler Greifvogelverfolgung erlebt, aber der Tod dieses Kaiseradlers ist besonders abstoßend und brutal“, ist Greifvogelforscher Schmidt erschüttert.
Abschüsse und Schlagfallen
Die Organisation erstattete Anzeige, die Ermittlungen laufen. Artemisia wurde in einem Jagdrevier im Gemeindegebiet von Zurndorf gefunden, aus dem in den vergangenen Jahren mehrere Fälle illegaler Wildtierverfolgung gemeldet wurden. So wurden eine Rohrweihe und ein Mäusebussard abgeschossen sowie illegale Schlagfallen aufgestellt. Bisher konnte kein Täter ausgeforscht werden.
„Unsere Erfahrung zeigt, dass die Tätergruppe zumeist einen jagdlichen Hintergrund aufweist“, erklärt Schmidt. BirdLife Österreich fordert nun, dass sämtliche Greifvögel über die Naturschutzgesetzgebung erfasst werden und nicht über die Jagdgesetze. Nur so sei es möglich, illegale Verfolgungsfälle effizient zu bearbeiten und möglichen Verschleierungen vorzubeugen.
In Gebieten mit wiederholten Übergriffen soll die Behörde unabhängige Jagd- und Naturschutzorgane zur Vorbeugung einsetzen. Zu dem brauche es Verbesserungen bei der Strafverfolgung sowie entsprechende Ressourcen für die Ermittlungsarbeit der Polizei.
Die Zahlen sprechen für sich: Allein 30 bis 40 Prozent aller tot aufgefundenen Kaiseradler wurden erschossen oder vergiftet. Damit ist die Wildtierverfolgung die häufigste Todesursache bei diesen Greifvögeln.
„Dieser Fall zeigt erneut, dass illegale Verfolgung in Österreich ein massives Problem darstellt. Die konsequente Umsetzung und Einhaltung der Schutzbestimmungen ist für einen erfolgreichen Artenschutz unerlässlich“, betont auch Christina Wolf-Petre vom WWF Österreich.
Auch Bruder verendet
Für Artemisia, die Kaiseradlerdame mit Fernweh, die in 18 Tagen 3.200 Kilometer zurückgelegt hat, kommt das freilich zu spät. Sie ist nun, ebenso wie ihr Bruder Johannes, verendet. Letzterer kollidierte am 12. Oktober des Vorjahres mit einem Windrad im östlichen Weinviertel. Das weiß man so genau, weil beide Tiere 2021 mit einem GPS-Sender ausgestattet wurden. Insgesamt wurden bisher 36 Kaiseradler besendert
Ein Lichtblick am Schluss: Die Eltern von Artemisia und Johannes haben erst kürzlich wieder Junge bekommen, die sie nun großziehen.