Chronik/Burgenland

197.000 Euro Sozialleistungen erschlichen oder alles nur ein Missverständnis?

"Es geht um sehr viel für Sie", mahnt Richterin Michaela Stückler den 62-jährigen Angeklagten, der Verhandlung aufmerksam zu folgen. Das ist in diesem Fall besonders wichtig, denn in Saal 7 des Landesgerichts Eisenstadt sitzt am Dienstag ein syrischer Kurde auf der Anklagebank. 

Seine Verteidigerin Muna Duzdar ist deshalb froh, dass ein Dolmetscher für Kurdisch-Deutsch dabei ist. 

Frühere Einvernahmen im Beisein eines Arabisch-Dolmetschers seien nämlich sehr mühselig und vielleicht auch fehleranfällig gewesen, erinnert sich die Anwältin, die selbst Arabisch spricht - neben Deutsch, Englisch und Französisch. Aber immer noch sei es gängige Meinung, dass Syrer automatisch des Arabischen mächtig seien.

Damit ist man schon mittendrin in der Verhandlung, bei der es um eine große Summe Geldes und möglicherweise viele kleine Missverständnisse geht, die den bisher unbescholtenen 62-Jährigen subsidiär Schutzberechtigten vor Gericht gebracht haben. 

Vorgeworfen wird dem Mann, der mit seiner Familie im Südburgenland lebt, die unrechtmäßige Inanspruchnahme von Sozialleistungen von August 2014 bis Jänner 2024. In Summe gehe es um 197.340 Euro - von der Mindestsicherung bis zur Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung. Dafür drohen bis zu drei Jahre Haft.

Der Mann, der von seinem sehr höflichen jüngsten Sohn begleitet wird, weist die Vorwürfe zurück, seine Anwältin fordert einen Freispruch.

Im Kern geht es darum, ob der Beschuldigte bei seiner Einreise nach Österreich 2013 bewusst verschwiegen hat, dass er neben der syrischen auch die türkische Staatsbürgerschaft besitzt (weil seine Mutter Türkin ist). 

Sonst hätte er womöglich weniger gute Chancen auf Asyl gehabt. Und erst aufgrund des Asylbescheids konnte der Mann für sich, seine Frau und die anfangs noch minderjährigen zwei Kinder die oben erwähnten Sozialleistungen überhaupt in Anspruch nehmen. 

Mittlerweile ist der Asylstatus aberkannt, das wird aber von Anwältin Duzdar vor dem Bundesverwaltungsgericht bekämpft. Das Verfahren läuft.

Der 62-Jährige, der in Syrien Mitglied der Handelskammer und mithin Unternehmer gewesen sein soll, wiederholt mehrmals, dass er im Rahmen des Asylverfahrens "nicht gefragt" worden sei, ob er andere Staatsbürgerschaften besitze. 

Man habe ihm im Vorfeld gesagt, er solle nur die gestellten Fragen beantworten, übersetzt der Dolmetscher. Denn der Syrer kann auch nach zehn Jahren in Österreich offenbar kaum Deutsch. Einen Integrationskurs habe er aber besucht, versichert er der Richterin.

Nach seinem Asylbescheid Arbeit zu finden, sei schwer gewesen, sagt er. Anfangs sei er zwar immer wieder geringfügig beschäftigt gewesen, mittlerweile habe er aber gesundheitliche Probleme. 

Die Richterin vertagt auf unbestimmte Zeit, vor allem um die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts abzuwarten.