Sex mit Hintergedanken: Rippenquallen kannibalisieren Nachwuchs
Dass manche Tiere ihre Artgenossen zum Fressen gern haben, ist bekannt. Nun zeigt eine aktuelle Studie, dass Rippenquallen gezielt für Nachwuchs sorgen, um ihn als Nahrungsquelle in schlechten Zeiten nützen zu können. Die in europäische Gewässer vorgedrungene "Meerwalnuss" frisst demnach vor allem bei der Besiedlung neuer Lebensräume ihre eigenen Jungen.
Hungerzeiten überbrücken
Dieses Verhalten von Mnemiopsis leidyi - so der wissenschaftliche Name der Quallenart - ist ökologisch erklärbar, berichten Forscher der dänischen Universität in Odense und des Jenaer Max-Planck-Instituts für Menschheitsgeschichte in Deutschland.
Der Nachwuchs stehe als schwimmende Nahrungsquelle länger im Jahr zur Verfügung als die natürliche Beute der Quallen, erläutern die Wissenschafter um Jamileh Javidpour im Fachmagazin Communications Biology. Dies ermögliche den ausgewachsenen Tieren, Zeiten mit geringem Nahrungsangebot zu überstehen und sich damit weiter auszubreiten, als dies etwa die klimatischen Bedingungen normalerweise erlaubten.
Mehr Sex vor dem Winter
Für die Studie sammelten die Forscher Rippenquallen vor der norddeutschen Ostseeküste. Die von den Ostküstengebieten Nord- und Südamerikas stammende Art lebt inzwischen aber auch in der Nordsee und im Mittelmeer. Die Ursache ihres Erfolgs bei der Ausbreitung bis in eurasische Küstengewässer war den Forschern zufolge bisher unbekannt.
Fraglich war unter anderem gewesen, warum die Quallen vor dem Einbruch des Winters keine Ressourcen speichern, sondern sich vermehrt fortpflanzen. Jetzt gibt es eine Antwort. Da Quallen entwicklungsgeschichtlich zu den frühesten Lebewesen zählen, unterstreiche diese Studie die Annahme, dass Kannibalismus im Tierreich allgegenwärtig ist.
Verbreitete Kalorienaufnahme
Tatsächlich kennen Zoologen bei Tieren unterschiedliche Formen des Kannibalismus: Aktive Kannibalen, vor allem Fische wie Hechte und Flussbarsch, jagen und töten Artgenossen, bevor die ihre Beute fressen.
Passive Kannibalen, darunter Aasfresser, Krähen und Schnecken, verputzen nur bereits tote Artgenossen. Filialer Kannibalismus bezeichnet den Akt, wenn Eltern sich an ihrem eigenen Nachwuchs vergreifen. Mitunter töten männliche Konkurrenten, so fressen etwa Alligatoren, Warane und Schlangen Artgenossen, denen sie überlegen sind.
Beim intra-uterinen Kannibalismus, der bei einigen Haien vorkommt, fressen die Embryonen noch im Mutterleib andere (meist) unbefruchtete Eier. Nicht zuletzt verzehrt ein Sexualpartner den anderen nach der Paarung; zu beobachten insbesondere bei Echten Webspinnen oder Gottesanbeterinnen.
Invasive Schädlinge
Die aktuelle Studie liefert einen weitern Beweis für den Kannibalismus im Tierreich. Die Forscher wollten zeigen, wie eine invasive Tierart in fremden Ökosystemen ihren Platz sichert und großen Schaden anrichtet. Sie hoffen, dass ihre Ergebnisse Regierungen wie Umweltschützern dabei helfen, die Ausbreitung der Quallen einzudämmen.