Mit Hightech-Methoden ohne Ausgrabung in den Boden blicken
Das Ludwig Boltzmann Institut für Archäologische Prospektion und Virtuelle Archäologie (LBI ArchPro) ist nach 14 Jahren am Ende seiner Laufzeit angelangt. Es sei viel erreicht worden, das Aus für die Einrichtung, die mit der nicht-invasiven digitalen Erforschung des Kulturerbes der Menschheit vielfach für internationales Aufsehen gesorgt hat, in der aktuellen Form sehr bedauerlich, erklärte LBI ArchPro-Leiter Wolfgang Neubauer bei einer Pressekonferenz am Donnerstag in Wien.
Mit Technologien wie Bodenradar oder Scannern aus der Luft und am Boden hat sich das zuletzt mehr als 30-köpfige LBI ArchPro-Team der zerstörungsfreien Auffindung, Dokumentation und Visualisierung archäologischer Funde gewidmet. Dadurch können das Gelände und im Boden verborgene archäologische Strukturen mit hoher Genauigkeit erfasst und rekonstruiert werden. In den vergangenen Jahren hat sich das Institut einen Namen bei der digitalen Dokumentation ganzer archäologischer Fundstellen und Weltkulturerbe-Landschaften gemacht, etwa Stonehenge, die Pyramiden von Gizeh oder die Wikingerstadt Birka.
Im Jahr 2010 fiel mit einem Budget von sechs Millionen Euro für vier Jahre und 15 Mitarbeitern der Startschuss. Ursprünglich auf sieben Jahre angelegt und nach positiver Evaluierung um weiter sieben Jahre verlängert, ist Ende März nun aber Schluss. Die etwas mehr als 30 Mitarbeiter wechseln zum Teil an Institutionen wie die Universität Wien, die Universität für Weiterbildung Krems, Geosphere Austria oder auch an Partnerorganisationen in Norwegen. Dort sollen einzelne Aspekte der LBI-Forschung zur Anwendung kommen.
Eine Nachfolgeorganisation erschien den Partnern unrealistisch, da es nicht möglich gewesen sei den Namen und die Marke weiterzuführen, so Neubauer gegenüber der APA: "Was die eigentliche Intention und die Grundlage des Erfolgs war, nämlich eine kritische Masse zu bilden, gliedert sich leider wieder in Einzelteile auf. Das ist natürlich schade." Nachhaltige Forschung sei im Umfeld von Auftragsforschung nur schwer möglich. Neubauer, der eine andere Lösung für das Institut für möglich gehalten hätte, ist laut eigenen Angaben derzeit bezüglich einer Aufstockung seiner Professur mit der Universität Wien im Gespräch.
Es sei von Anfang an klar gewesen, dass es sich um ein zeitlich befristetes Institut handelt, sagte Michael Stampfer, Teil des Vorstands der Ludwig Boltzmann Gesellschaft (LBG), die das Institut finanziert hat, bei dem Pressegespräch. "Niemand war im Unklaren darüber. Lösungen wurden gesucht, aber das ist nur zum Teil gelungen. Uns blutet das Herz im Hinblick auf die Personen", erläuterte Stampfer. Eine Fortführung des LBI ArchPro, das mit einem Konsortium aus 17 europäischen Institutionen und 35 Kooperationspartnern zusammengearbeitet hat, "wäre ein Traum gewesen". Zentrale Forschungsinhalte würden jedenfalls weiter verfolgt.
Ein Beispiel dafür sei ein Projekt zum Einsatz von Multisensor-Robotern für die Dokumentation von kulturellem Erbe und zur Überwachung, etwa um Einsatzkräfte in von Erdbeben zerstörten Städten zu unterstützen, so Christian Hanus vom Research Lab für nachhaltiges baukulturelles Erbe an der Universität für Weiterbildung Krems, an der diese Arbeit fortgesetzt wird. Man versuche, das vom Institut aufgebaute Erbe weiterzutragen und Kontakte aufrechtzuerhalten.
Von einer "abenteuerlichen Erfolgsreise", die ihn vom ersten Moment elektrisiert habe, sprach auch LBG-Vorstand Stampfer. Er sei dem Institut seit der Gründung, als von Neubauer als "wahnsinnigem Archäologen, der nichts ausgräbt" die Rede war, eng verbunden, verwies auf Bestnoten bei der Evaluierung und ein "unglaubliches Medienecho". Wissenschaftsvermittlung sei wesentlich, um den Wert der Wissenschaft zu erkennen, offen zu legen und den Menschen näherzubringen, ergänzte Matthias Kucera, stellvertretender Leiter des LBI ArchPro.
"Wissenschaftsvermittlung und Medienarbeit ist in diesen 14 Jahren in einer Form forciert worden, die vorher nicht möglich war. Da sehe ich in den kommenden Jahren auch meinen Schwerpunkt", sagte Neubauer. Ziel müsse sein, nicht Angebote zu schaffen, die die ohnehin interessierten Gruppen adressieren, sondern skeptische Personen direkt anzusprechen. Ein Highlight sei Stonehenge gewesen, wo mit einem Konsortium eine Fläche von 16 Quadratkilometern untersucht wurde. "Da haben wir alle Formen, das der Öffentlichkeit zu vermitteln, ausprobiert", so der Institutsleiter.
Einen großen Impact auf die Marke LBI hätten auch die großen TV-Dokumentationen in internationalen Sendern wie der BBC gehabt. Die zuletzt entstandene Doku "In den Fängen der Wikinger", in der die Forschungsergebnisse zusammen mit skandinavischen Partnern verarbeitet worden seien, laufe aktuell auf Netflix. "Das sind Erfolge, die für den Wissenschaftsstandort Österreich wie auch für die LBG eigentlich einen hohen Wert haben sollten", gab sich Neubauer, der im Jahr 2015 zum "Wissenschafter des Jahres" gewählt wurde, überzeugt.