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Patienten bei Med-Infos aus dem Web oft leichtgläubig

Kurt Usar, Allgemeinmediziner in Graz, hat vielfältige Erfahrungen mit "Dr. Internet": "Es gibt zum Beispiel Patienten mit Darmbeschwerden wie Blähungen. Sie kommen nach der Internetrecherche mit der fixen Überzeugung, dass nur der Candida-Pilz die Ursache sein kann. Sehr oft ist dem aber nicht so – und dann kann es sehr anstrengend sein, sie davon zu überzeugen."

Auf der anderen Seite habe er schon viele positive Erfahrungen gemacht: "Es gibt auch viele durch seriöse Quellen gut vorinformierte Patienten. Manche kommen mit Ideen für ergänzende Therapievorschläge – etwa bestimmte pflanzliche Präparate, an die ich nicht sofort gedacht hätte."

Mehr als jeder dritte Österreicher hat schon ein Mal eine persönliche Gesundheitsfrage im Internet recherchiert, ergab eine IMAS-Umfrage (siehe Grafik).

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Das Risiko, dabei falsche Tipps zu bekommen, ist hoch. Jetzt wird erstmals im großen Forschungsprojekt "Dr. Internet" der Karl-Franzens-Uni Graz und der TU Graz untersucht, inwieweit Recherchen im Internet die Selbstdiagnose von Krankheiten und das Arzt-Patienten-Verhältnis beeinflussen.

"Bisherige Erfahrungen zeigen, dass die Qualität der Suchergebnisse sehr davon abhängt, wie sehr jemand Datenquellen hinsichtlich ihrer Qualität und des Wahrheitsgehalts bewerten kann", sagt Projektleiter Michael Koop von der Akademie für Neue Medien und Wissenstransfer der Uni Graz. "Man braucht eine entsprechende Recherchekompetenz."

Verunsicherung

"Bei der Suche mit Suchmaschinen sind nach der Eingabe bestimmter Stichworte seltene, außergewöhnliche Krankheitsverläufe oft ganz oben gereiht", sagt Mediziner Usar: "Viele Patienten glauben, dass das, was ganz oben steht, am häufigsten ist – aber dem ist nicht so. Das verunsichert oft."

Ab Herbst 2015 werden im Rahmen des vom Land Steiermark geförderten Projekts 1000 Personen an speziellen Kursen teilnehmen. Ihnen werden unterschiedliche Krankheitssymptome geschildert – danach sollen sie "mittels eigener Recherchen im Internet herausfinden, welches Krankheitsbild dahinter liegt", erzählt Koop. Informationen über das Projekt wird es auf der Plattform www.imoox.at geben. Die Ergebnisse werden wissenschaftlich ausgewertet.

"Wir wollen damit aufzeigen, dass es nicht ratsam ist, nur auf das Internet zu hören. Denn es gibt Zusammenhänge, auf die man über die Internet-Recherche alleine möglicherweise nicht kommt." So kann für Magenschmerzen sogar eine Mittelohrentzündung die Ursache sein.

Über das Internet könne keine Diagnose gestellt werden: "Ferndiagnosen sind nicht möglich, auch wenn das die Patienten teilweise erwarten", sagt Koop: "Manchmal wird zu sehr darauf vertraut, dass alles, was man im Internet findet, auch wahr ist. Es fehlt an Selbstreflexion."

Seriöse Informationsangebote würden etwa immer darauf hinweisen, dass die Online-Recherche einen Arztbesuch nicht ersetzen kann. Die NÖ Patienten- und Pflegeanwaltschaft hat gemeinsam mit dem Uni-Lehrgang für Public Health Graz Tipps für die Internetrecherche herausgebracht:

Dazu zählt, dass Werbung klar als solche gekennzeichnet sein muss. Alle aufgestellten Behauptungen bezüglich Risiken, Nutzen und Effizienz sollten durch Angabe von Quellen belegt sein. Das Impressum muss Angaben über die verantwortlichen Personen (inkl. Kontaktdaten) und die Finanzierung des Angebotes enthalten.

"Wenn Patienten mit Informationen aus dem Internet kommen, darf man das als Arzt nicht einfach abtun", betont Usar: "Es ist wichtig, darauf einzugehen. So kann man sie oft auch vor therapeutischen Irrwegen schützen."

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