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Künstliche Intelligenz: Physik-Nobelpreis für Grundlagen maschinellen Lernens

Der heurige Nobelpreis für Physik geht an den US-Forscher John J. Hopfield von der Princeton University (USA) und den gebürtigen Briten Geoffrey E. Hinton von der University of Toronto (Kanada) für "bahnbrechende Entdeckungen und Erfindungen, die maschinelles Lernen mit künstlichen neuronalen Netzen ermöglichen". Das gab die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am Dienstag in Stockholm bekannt. 

Hopfield (91) und Hinton (76) hätten Werkzeuge aus der Physik genutzt, um den Grundstein für das heutige leistungsstarke maschinelle Lernen, die künstliche Intelligenz, zu legen, hieß es. „Das maschinelle Lernen auf der Grundlage künstlicher neuronaler Netze revolutioniert derzeit die Wissenschaft, die Technik und das tägliche Leben.“

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Hopfield erfand ein nach ihm benanntes Netzwerk, das eine Methode zum Speichern und Wiederherstellen von Mustern verwendet. Hinton verwendete dieses Hopfield-Netzwerk als Grundlage für ein neues Netzwerk, das eine andere Methode verwendet: die Boltzmann-Maschine. Diese kann lernen, charakteristische Elemente in einer bestimmten Art von Daten zu erkennen.

Viele Anwendungen von KI bereits im Alltag

"Lernen ist eine faszinierende Fähigkeit des menschlichen Gehirns", sagte Ellen Moons, Vorsitzende des Nobelkomitees für Physik, in ihrer Laudatio. "Wir können Bilder und Sprache erkennen und sie mit Erinnerungen und vergangenen Erfahrungen verknüpfen. Milliarden von miteinander vernetzten Neuronen verleihen uns einzigartige kognitive Fähigkeiten."

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Künstliche neuronale Netze - also künstliche Intelligenz (KI) - seien von diesen Neuronen-Netzwerken in unserem Gehirn inspiriert: "Die diesjährigen Preisträger nutzten grundlegende Konzepte der statistischen Physik, um künstliche Neuronennetzwerke zu entwerfen." Diese können Assoziationen herstellen und speichern und "Muster in großen Datensätzen finden".

Obwohl Computer nicht denken können, können Maschinen Funktionen wie Gedächtnis und Lernen nachahmen. Die diesjährigen Physikpreisträger haben dazu beigetragen, dies zu ermöglichen, hieß es seitens des Nobelkomitees. "Unter Verwendung grundlegender Konzepte und Methoden aus der Physik haben sie Technologien entwickelt, die Strukturen in Netzwerken zur Informationsverarbeitung nutzen."

„Die Arbeit der Preisträger ist bereits von größtem Nutzen. In der Physik verwenden wir künstliche neuronale Netze in einer Vielzahl von Bereichen, beispielsweise bei der Entwicklung neuer Materialien mit spezifischen Eigenschaften“, sagte Moons. Diese künstlichen Netzwerke hätten die Forschung aber auch außerhalb des Wissenschaftsbereiches der Physik vorangebracht: "Sie wurden auch ein Teil in unserem Alltagsleben", erläuterte Moons, "etwa für Gesichtserkennungen oder Übersetzungen". 

Die Erkenntnisse der beiden Wissenschafter seien wichtige Bausteine im Bereich des maschinellen Lernens, "die helfen können, etwa in der Diagnose von Krankheiten schnellere und verlässlichere Entscheidungen zu treffen".

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Trotz dieser enormen Vorteile habe die rasche Entwicklung des künstlichen Lernens auch zu vielen Sorgen geführt, was die Zukunft betrifft: "Gemeinsam tragen wir die Verantwortung, dass diese neue Technologie in einer sicheren und ethischen Weise genutzt wird."

Nobelpreisträger Hinton: "Mit der Industriellen Revolution vergleichbar"

Künstliche Intelligenz wird nach Meinung des Physik-Nobelpreisträgers Geoffrey Hinton einen riesigen Einfluss auf die Menschheit haben. „Sie wird mit der Industriellen Revolution vergleichbar sein“, sagte Hinton, als er telefonisch zu der Preisbekanntgabe in der Königlich-Schwedischen Akademie der Wissenschaften in Stockholm zugeschaltet wurde. „Aber anstatt die Menschen an körperlicher Stärke zu übertreffen, wird es die Menschen an intellektuellen Fähigkeiten übertreffen.“

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Dabei sind Hinton auch die Gefahren bewusst, wenn Maschinen lernen. „Wir haben keine Erfahrung damit, wie es ist, wenn Dinge intelligenter sind als wir“, sagte er. In vielerlei Hinsicht werde das wundervoll sein, etwa im Fall eines besseren und effizienteren Gesundheitswesens und großen Verbesserungen der Produktivität. „Wir müssen uns aber auch über eine Reihe möglicher negativer Folgen Sorgen machen, besonders über die Gefahr, dass diese Dinge außer Kontrolle geraten.“

Alle Nobelpreise sind in diesem Jahr mit jeweils elf Millionen schwedischen Kronen (knapp 970.000 Euro) pro Kategorie dotiert. Erhalten mehrere Preisträger die Auszeichnung gemeinsam, dann wird das Preisgeld unter ihnen aufgeteilt. 

Feierlich überreicht werden die Nobelpreise dann traditionell am 10. Dezember, dem Todestag des Dynamit-Erfinders und Preisstifters Alfred Nobel (1833-1896). Die Preise sollen sollen laut Nobels Testament diejenigen ehren, die der Menschheit im vergangenen Jahr in den einzelnen Preiskategorien den größten Nutzen erwiesen haben. Die Kategorie Physik ist dabei die erste, die Nobel in seinem Testament erwähnte.

Zwei österreichische Preisträger in den Vorjahren

Im vergangenen Jahr ging die Auszeichnung an den österreichisch-ungarischen Physiker Ferenc Krausz, seinen in den USA tätigen Kollegen Pierre Agostini und die in Schweden arbeitende Physikerin Anne L'Huillier. Sie wurden für experimentelle Methoden geehrt, die Attosekunden-Lichtimpulse zur Untersuchung der Dynamik von Elektronen in Materie erzeugen.

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Krausz, Agostini und L'Huillier eröffneten mit ihren Arbeiten die Möglichkeit, Prozesse zu untersuchen, die sich bis dahin durch ihre Schnelligkeit jeglicher Beobachtung entzogen haben. In der Welt der Elektronen fänden Veränderungen in wenigen Zehntel Attosekunden statt, so das Nobelpreiskomitee, und weiter: „Eine Attosekunde ist so kurz, dass es in einer Sekunde so viele davon gibt, wie es Sekunden seit der Entstehung des Universums gibt“, oder anders ausgedrückt: Eine Attosekunde ist ein Milliardstel einer Milliardstel Sekunde (0,000.000.000.000.000.001 Sekunden). 

Mit Lichtpulsen mit der Dauer von wenigen Attosekunden lassen sich Bilder von Vorgängen in Atomen und Molekülen erzeugen, etwa wie sich Elektronen bewegen oder Energie tauschen.

2022 ging die Auszeichnung auch an den österreichischen Quantenphysiker Anton Zeilinger, der gemeinsam mit dem französischen Physiker Alain Aspect und seinem US-Kollegen John Clauser „für Experimente mit verschränkten Photonen, Nachweis der Verletzung der Bellschen Ungleichungen und wegweisender Quanteninformationswissenschaft“ geehrt wurde.

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Die drei Physiker hätten den von Albert Einstein als „spukhafte Fernwirkung“ abgetanen quantenphysikalischen Zustand, bei dem zwei verschränkte Teilchen wie von Zauberhand miteinander verbunden bleiben und ihre physikalischen Eigenschaften teilen, „aus der Theorie in die Praxis gebracht“, heißt es seitens des Komitees.

Physik-Nobelpreisträger Anton Zeilinger zählt zu den renommiertesten österreichischen Wissenschaftern. Der Quantenphysiker hat in seiner Karriere bahnbrechende Beiträge zu den Grundlagen der Quantenphysik geliefert. Er war von 1999 bis 2013 Professor für Experimentalphysik an der Universität Wien, von 2004 bis 2013 Direktor am Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) und von 2013 bis 2022 Präsident der Akademie der Wissenschaften.

Heuriger Medizin-Nobelpreis für Gen-Regulation

Der heurige Nobelpreis für Medizin oder Physiologie ist am Montag den US-Forschern Victor Ambros und Gary Ruvkun für die Entdeckung der microRNA (miRNA) zuerkannt worden.

Dabei handle es sich um die „Entdeckung eines grundlegenden Prinzips, für die Regulierung der Genaktivität“, dessen Potenzial auch in der Therapieentwicklung ausgelotet wird.