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Mittelmeer: Warum Quallen zur Plage werden können

Sommer, Sonne, Strand – und dann das: ein Heer von Quallen, das im Meer schwimmt oder an Land gespült wurde. Da vergeht so manchem Urlauber die Lust darauf, sich in die Fluten zu stürzen.

Tatsächlich können Urlauber bei einem Besuch an der Adria oder den Balearen den Eindruck gewinnen, dass die Nesseltiere zu einer wahren Plage geworden sind. Allerdings: „Genaue Zahlen gibt es nicht.“ Darauf weist Michael Mitic hin – Meeresbiologe und Direktor vom Haus des Meeres in Wien. Denn: „Dass man im Frühsommer riesige Quallenschwärme sichten kann, ist nicht außergewöhnlich.“

Und doch ist die Hypothese naheliegend, dass die Populationen der Medusen – so nennen Forscher die Quallen – größer werden. „Durch den industriellen Fischfang werden ihre natürliche Feinde dezimiert. Viele Fische fressen die Eier der Quallen“, erläutert Mitic.

Die ausgewachsenen Medusen sind dagegen für Schildkröten wahre Delikatessen. „Durch viele Schutzmaßnahmen steigt deren Population sogar wieder“, sagt Mitic. Das Problem: Die Meeresechsen verwechseln häufig Quallen mit Plastik, das im Meer schwimmt.

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Grüner denken

Roland Halbauer, der im Tiergarten Schönbrunn für die Aquarien zuständig ist, fasst die Ursachen für die Quallenvermehrung so zusammen: „Es fehlt an Umweltbewusstsein.“ Denn nicht nur die Überfischung, die im Mittelmeer ein besonderes Ausmaß angenommen hat, sorgt dafür, dass die Tiere immer bessere Bedingungen vorfinden. „Auch, dass viele Abwässer ins Meer geleitet werden, kommt den Quallen zu Gute – sie sind eine nährstoffreiche Nahrungsquelle.“

Der Klimawandel tue sein übrigens, denn die Nesseltiere brauchen für die Fortpflanzung eine gewisse Temperatur. „Je früher diese erreicht ist, desto früher vermehren sich die Quallen – und das zu einer Zeit, in der es nicht so viele Fressfeinde gibt.“ Ein Teufelskreis. Was könnte man also tun, wenn man auch zukünftig unbeschwert im Mittelmeer und anderen Flüssen baden will? „Wir müssen insgesamt umweltbewusster werden. An den Quallen sehen wir ja, dass etwas aus dem Gleichgewicht gekommen ist“, sagt Roland Halbauer.

Harmlose Nesseltiere

Einen Trost hat Meeresbiologe Michael Mitic für alle Mittelmeerurlauber: „Wirklich gefährliche Quallen gibt es dort nicht.“ Am giftigsten ist wohl die portugiesische Galeere, die allerdings nur im Westmittelmeer vorkommt. Ihr Stich ist äußerst schmerzhaft und kann bei geschwächten Personen oder Allergikern im Extremfall zum Tod führen. „Weitaus verbreiteter sind die Leuchtquallen, die gemeinhin als Feuerquallen bekannt sind.“ Was sie so besonders fies macht: „Ihre Tentakel können zwei bis drei Meter lang sein, weshalb man ihnen nur schwer ausweichen kann, selbst wenn man sie sieht“, sagt Mitic, der nur mit Taucherbrille schwimmt und gefährlichen Exemplaren ausweicht. Anzüge aus Lycra schützen ebenso.

Die wirklich gefährliche Medusen sind an anderen Ecken zu Hause, etwa vor den Küsten Australiens, wo man auf die giftigste Qualle überhaupt treffen kann: die zu den Würfelquallen gehörende Seewespe. Ihr Gift kann für den Menschen in wenigen Minuten tödlich sein. Mittlerweile gibt es ein Gegengift, das aber rechtzeitig gegeben werden muss, sagt Halbauer.

Die Fischer vor der japanischen Küste haben dagegen mit einem ganz anderen Medusenproblem zu kämpfen. In ihren Netzen finden sich immer häufiger Nomura-Quallen, die meist aus China angeschwemmt werden. Die Exemplare können bis zu 200 Kilogramm schwer werden und einen Durchmesser von bis zu zwei Meter erreichen. Die Riesen zerdrücken den Fischfang und verschleimen die Netze, die dann stundenlang von den Fischern gereinigt werden müssen.

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