Grund für Optimismus: Die Welt ist besser, als Sie denken
Terror, Umweltverschmutzung, Migrationskrise: Wer Nachrichtensendungen einschaltet, bekommt sehr schnell das Gefühl, dass die Welt dem Untergang geweiht ist. „Früher war alles besser“, sagen, denken und fühlen viele Menschen.
Doch stimmt das überhaupt? Oder verklären wir damit die Vergangenheit? Der französische Psychologe Jaques Lecomte hat sich viele Statistiken angeschaut und kommt zum Schluss, dass die Welt heute besser ist als noch vor dreißig oder fünfzig Jahren: Bildung, Kindersterblichkeit, Hunger und selbst Kriege auf der Welt – fast alles war früher schlechter (siehe Grafiken und Ende des Artikels).
Das ist nicht nur global so. Auch in Österreich lebt es sich heute besser als je zuvor. So ist zum Beispiel die Kriminalität in vielen Bereichen zurückgegangen. Im Jänner schrieb z. B. Kollege Dominik Schreiber im KURIER: „Die 90er-Jahre, heute gerne die ‚gute alte Zeit‘ genannt, als massenweise Autos und Wohnungen aufgebrochen wurden, es Banküberfälle in Serie gab und Mafiamorde in Wien geschahen – das alles ist überwunden.“
Auch der Wohlstand wächst – noch nie waren die Lokale in Wien so gut besucht, noch nie hatten die Österreicher so viel Kleidung in den Kästen. Und was Substandard-Wohnungen sind, wissen nur noch die älteren Leser aus eigener Erfahrung.
Dennoch werden wir ständig mit Hiobsbotschaften gefüttert. Das hat Gründe. Zum einen gilt im Journalismus oft das Motto: „Nur schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten.“ Zudem glauben Umweltverbände, Politiker und Meinungsmacher, sie könnten die Menschen durch Schreckensszenarien aufrütteln. „Doch das Gegenteil ist der Fall“, schreibt Lecomte in seinem Buch: „Der Welt geht es besser, als Sie glauben. 50 Gründe optimistisch zu sein“. (Buchtipp: „Der Welt geht es besser, als sie glauben.50 Gründe optimistisch zu sein“
Gütersloher Verlagshaus,
18,50 Euro)
In die Irre geführt
Lecomte, der beruflich die Seele der Menschen studiert, nennt drei Gründe, warum wir weniger auf Untergangspropheten hören sollten.
Punkt 1: Sie führen häufig in die Irre und vermitteln uns ein falsches Bild von der Welt. Als Beispiel nennt er Berichte vom Hurrikan Katrina in New Orleans: Von Plünderungen und bewaffneten Banden war damals die Rede. Doch so schlecht ist der Mensch nicht, stellt Lecomte fest – gestohlen wurden nur Lebensmittel und Kleidung, also Überlebensnotwendiges, während Schmuckgeschäfte verschont blieben.
Punkt 2: Schreckensnachrichten lähmen uns. Gutes Beispiel ist die Raucherkampagne. „Horrorbilder sollen Menschen ermutigen, der Zigarette abzuschwören. Aber die wenigsten setzen die notwendigen Schritte, sondern verdrängen die Gefahr“, schreibt Lecomte. Der Grund: „Nur Menschen, die den starken Glauben an die eigenen Kompetenz haben, dass sie ihr Verhalten ändern können, handeln auch.“ Was im Privaten gilt, gilt ebenso im Öffentlichen: Wer eh glaubt, dass die Welt vor dem Abgrund steht, der verdrängt die Nachrichten und wird lethargisch, statt zu handeln.
Punkt 3: Angst führt zu autoritärer Politik. „Wer sich bedroht fühlt und den eigenen Tod vor Augen hat, wird nationalistischer und tendiert eher dazu, sich einer Autorität unterzuordnen“, erklärt Lecomte. Das geschah in den 1930er n oder auch Ende der 1960er-Jahre, wie soziologische Studien zeigen.
Und auch jetzt scheinen Demagogen wieder Oberwasser zu bekommen – übrigens nicht nur politische, sondern auch religiöse. „Sie haben verstanden, dass es ihrem Interesse dient, immer wieder zu betonen, wie gefährlich die Welt ist, in der wir leben“, sagt der Psychologe.
Sollen wir also in Zukunft die Welt nur noch durch die rosarote Brille sehen?
Nein – Lecomte plädiert für einen Optirealismus, wie er es nennt.
Auf dem Boden bleiben
Ein realistischer und analytischer Blick auf die Welt sei nach wie vor geboten: Gefahren wie der Klimawandel, Artensterben, Hunger, Krieg, Migrationsströme oder Terrorismus lassen sich nicht verleugnen. Und das sollte man auch gar nicht.
Realistisch zu sein, bedeute eben auch, sich bewusst zu werden, was die Menschen bereits alles erreicht haben. Beispiel Hungerkatastrophen: Wer die Entwicklungen der vergangenen zwanzig oder gar fünfzig Jahre Revue passieren lässt, stellt fest, dass weltweit immer mehr Menschen ausreichend Nahrung haben. Vor allem asiatische Staaten haben hier riesige Fortschritte gemacht. Warum soll es im südlichen Teil Afrikas – dem Kontinent mit dem höchsten Anteil an Mangelernährten – nicht eine ähnliche Entwicklung geben? Das UNO-Ziel, dass der Hunger bis 2030 so gut wie ausgelöscht ist, sei realistisch.
Solche Fortschritte werden nicht durch große Paukenschläge, durch Revolutionen erzielt, „sondern durch Wandel“, sagt Lecomte. Das ist natürlich weniger spektakulär, „aber im Ergebnis sind sie umso beeindruckender“.
Wer sich solcher Erfolge bewusst wird, betreibt keine Vogel-Strauß-Politik. Er lässt sich auch in unruhigen Zeiten nicht lähmen, sondern glaubt an die Fähigkeit der Menschen, Dinge zum Positiven verändern zu können.
Deshalb fordert er die Menschen auf, nicht in Untätigkeit zu verfallen: „Engagieren wir uns für etwas, statt gegen etwas zu agieren.“
50 gute Nachrichten
Jaques Lecomte nennt 50 Gründe, optimistisch zu sein – und zählt unterschiedliche Bereiche auf. Hier ein Auszug: Eine allgemeine Verbesserung ist z.B. der Rückgang der Geburtenrate auf 2,5 Kinder pro Frau. Oder die Tatsache, dass ein Mindestmaß an sozialer Absicherung heute fast weltweit Standard ist. Auch mit der Gesundheit geht es aufwärts. Die Lebenserwartung stieg weltweit von 52,5 im Jahr 1950 auf 71,5 Jahre (2014). Krankheiten wie Lepra sind so gut wie ausgerottet. Auch in Sachen Umwelt gibt es Grund zur Hoffnung. Der -Ausstoß ist in den vergangenen drei Jahren zumindest stabil geblieben. Und im Rhein – vor 30 Jahren der verschmutzteste Fluss Europas – kann man wieder baden. Selbst Gewalttaten werden weniger. Terrorgruppen wie die IRA, die ETA oder die FARC haben dem bewaffneten Kampf abgeschworen. Und zu guter Letzt: Gute Nachrichten verkaufen sich besser als schlechte. Die Menschen glauben an eine bessere Welt.