Wie das Gesundheitssystem für 2030 fit gemacht werden soll
Von Ernst Mauritz
Trastuzumab ist ein hoch wirksamer Antikörper, der gegen eine bestimmte Form von Brustkrebs sehr gut wirkt. „Die Ersteinstellung muss im Krankenhaus erfolgen. Aber Experten sagen, danach könnten weitere Verabreichungen durchaus auch im niedergelassenen Bereich erfolgen“, betont Patientenanwalt Gerald Bachinger. Das aber werde von den Krankenkassen abgelehnt – weil es dadurch zur Verschiebung von Kosten aus dem Spitalsbereich in den Kassenbereich kommt: „Das ist ein gutes Beispiel dafür, dass es nicht um die Interessen der Patienten geht, sondern darum, wie Finanzierungssysteme im Hintergrund laufen.“
Wie solche Fehlentwicklungen beseitigt werden können, diskutieren zahlreiche Experten im Rahmen der „Initiative Gesundheit 2030“ des Vereins Praevenire. Bis Mai soll ein Weißbuch "Zukunft der Gesundheitsversorgung" der künftigen Regierung übergeben werden. „Es soll ein Wegweiser mit Handlungsempfehlungen für die Politik zur Sicherung und Weiterentwicklung des österreichischen Gesundheitssystems sein“, sagte Mittwoch der Präsident des Vereins, der frühere Hauptverbandschef und ehemalige Finanzminister Hans Jörg Schelling.
„Wir haben in Österreich ein sehr gutes Gesundheitssystem, aber es ist nicht sehr effizient“, betonte Schelling. Bei der Bevölkerung stehe die Sicherung des Gesundheitssystems an erster Stelle: „Aber wenn die Regierung sagt, sie spart eine Milliarde im System ein, kommt das bei der Bevölkerung so an, als würde eine Milliarde bei den Leistungen eingespart.“
Zehn Thesen hat ein Pool von Experten bis jetzt ausgearbeitet (siehe unten), „der erste und wichtigste Punkt ist dabei: Nicht das System steht im Mittelpunkt, sondern der Patient“. Ähnlich Patientenanwalt Bachinger: „Wir müssen davon wegkommen, dass Experten mit Experten über Patienten reden. Wir müssen Patienten die nötige Gesundheitskompetenz geben und sie einbeziehen.“
Mehr Kassenärzte
Wenn man einen niederschwelligen und solidarischen Zugang zu einem öffentlichen Gesundheitswesen aufrecht erhalten wolle, werde man – neben einer Effizienzsteigerung – auch die Gesundheitsausgaben erhöhen müssen, betonte Thomas Szekeres, Präsident der Wiener und der Österreichischen Ärztekammer: „Wir liegen bei diesen hinter Deutschland und der Schweiz. Und wir müssen auch die Zahl der Kassenärzte erhöhen, um die Wartezeiten zu reduzieren.“
Schelling ist optimistisch: „So viele Experten, wie wir jetzt an Bord haben, haben bis jetzt noch nie an einer Reform des Gesundheitswesens gearbeitet.“
Mehr Vernetzung und Transparenz
In einem Spital in Oberösterreich hatte eine Frau einen chirurgischen Eingriff, der unmittelbar nach der Akutphase noch einen Aufenthalt in einem Pflegeheim notwendig machte – praktischerweise lag dieses gegenüber auf der anderen Straßenseite. „Trotzdem durfte der Arzt aus dem Krankenhaus die Patientin im Pflegeheim nicht weiterversorgen“, sagt Hans Jörg Schelling. Für ihn ist das ein gutes Beispiel dafür, warum eine bessere Vernetzung im Gesundheitssystem eine der zehn zentralen Thesen des künftigen Weißbuch Gesundheit ist.
Gleichzeitig müsse aber auch die Transparenz erhöht werden: „Es gibt viele Daten, die dürfen aber zum Teil nicht veröffentlicht werden.“ Das kritisierte auch Patientenanwalt Bachinger: „Es existieren zentrale Daten über Herzschrittmacher, Schlaganfallstationen oder gefäßchirurgische Eingriffe, die nicht veröffentlicht werden. Wir müssen aber aufhören mit den Geheimzirkeln hinter verschlossenen Türen.“ Er fordert eine Transparenzinitiative im Gesundheitswesen: „Die Bürger müssen wissen, was mit ihren Sozialversicherungsbeiträgen passiert.“
Und solange es unzumutbare Wartezeiten gebe, habe das öffentliche Gesundheitssystem seine Hausaufgaben noch nicht gemacht: „Es besteht eine riesige Gefahr, dass das öffentliche Gesundheitssystem immer weiter ausgedünnt wird.“