WHO: Hälfte Europas könnte in acht Wochen mit Omikron infiziert sein
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) warnt unter Berufung auf eine Hochrechnung davor, dass sich in zwei Monaten schon über die Hälfte der Menschen in Europa mit Omikron infiziert haben könnten. Omikron stelle eine Flutwelle dar, die von West nach Ost über Europa hinwegfege und zu dem Anstieg der Delta-Zahlen hinzukomme, den die Länder bis Ende 2021 erlebt hätten, sagte WHO-Regionaldirektor Hans Kluge am Dienstag auf einer Online-Pressekonferenz in Kopenhagen.
Omikron werde schnell zur dominanten Variante in Westeuropa und verbreite sich nun auch auf dem Balkan, sagte Kluge. Angesichts des aktuellen Ausbreitungstempos prognostiziere das Forschungsinstitut IHME anhand von Modellrechnungen, dass sich mehr als 50 Prozent der Bevölkerung in der Region in den nächsten sechs bis acht Wochen mit Omikron infiziert haben könnten.
In einem Bericht des Instituts vom 8. Jänner heißt es wörtlich: "Unsere Modelle für die Europäische Region legen nahe, dass Mitte Jänner mit mehr als 12 Millionen Infektionen pro Tag ein Höchststand erreicht wird – wobei die nationalen Höchststände erheblich variieren werden, mit späteren Höchstständen in Zentralasien." Und weiter: "Wir rechnen damit, dass sich in den nächsten sechs bis acht Wochen mehr als 50 Prozent der EURO-Bevölkerung mit Omikron infizieren werden."
Allein in der ersten Woche 2022 seien in der europäischen Region mehr als sieben Millionen neue Corona-Fälle nachgewiesen worden, was mehr als eine Verdopplung innerhalb eines Zwei-Wochen-Zeitraums bedeute, sagte Kluge. Die Sterberate bleibe stabil und weiterhin in Ländern mit hohen Inzidenzen und niedrigen Impfzahlen am höchsten. Omikron sei in 50 von 53 Ländern in Europa und Zentralasien gemeldet worden. Die WHO-Region Europa reicht weit über die EU hinaus und umfasst 53 Länder. Die Organisation rechnet auch östliche Staaten wie Russland, die Ukraine und Länder in Zentralasien dazu.
Kluge nutzte seine erste Online-Pressekonferenz des Jahres für drei Botschaften: Zum einen rief er Länder ohne bisherige Omikron-Zunahme dazu auf, das verbleibende Zeitfenster zu nutzen und Vorkehrungen zu treffen - Omikron breite sich schneller aus als jede andere zuvor gesehene Variante des Coronavirus SARS-CoV-2. Wo die Omikron-Ausbreitung begonnen habe, müsse die Priorität darauf liegen, Auswirkungen auf Anfällige zu vermeiden und Störungen der Gesundheitssysteme zu miniminieren. Drittens ging es Kluge um das Offenhalten der Schulen. Dies sei äußerst wichtig für die Kinder, weshalb Schulen der letzte Ort sein sollten, der geschlossen werde - und der erste, der wieder geöffnet werde.
Omikron könnte wie "natürlicher Booster" wirken
Die EU-Arzneimittelbehörde EMA hält es für möglich, dass die rasante Ausbreitung der Omikron-Variante zu einer endemischen Lage führen könne. Omikron könne wie ein „natürlicher Booster“ wirken, sagte Marco Cavaleri, Leiter der EMA-Abteilung biologische Gesundheitsbedrohungen und Impfstrategien, am Dienstag auf einer Online-Pressekonferenz in Amsterdam. „Wenn viele Menschen eine starke Immunität haben, könnte das der Weg zur Endemie sein.“
Eine Endemie ist eine in einer Gegend auftretende Krankheit, von der ein größerer Teil der Bevölkerung regelmäßig erfasst wird - wie etwa die Grippe. Das Immunsystem werde dann nicht mehr mit einem neuartigen Erreger konfrontiert, sondern sei durch frühere Infektion oder durch Impfung gewappnet.