Simulationsexperte Popper: "Nächsten Wochen entscheidend"
Gestern stieg die Zahl der in Österreich mit dem Coronavirus infizierten Personen erstmals seit langem wieder auf über 1.000.
Für den weiteren Verlauf der Corona-Epidemie in Österreich seien die nächsten Wochen "entscheidend", sagte Simulationsexperte Niki Popper zur APA. Die große Frage sei, wie gut und schnell Testen, Tracing und Containment funktioniere. "Wenn wir die lokalen Wiederanstiege nicht in den Griff bekommen, ist es nicht unwahrscheinlich, schon im Sommer ein Problem mit steigenden Fallzahlen zu bekommen."
Fälle wie in Oberösterreich nicht negativ
Sorgen bereiten den Simulationsexperten von der Technischen Universität (TU) Wien lokale Herde wie in Salzburg oder Oberösterreich. Bereits Anfang Juni haben die Mathematiker zwar berechnet, dass man viele solcher Herde gut im Griff behalten kann, vorausgesetzt das Testen, das Tracing und die Isolierung funktionieren schnell und effektiv.
"Dass Fälle wie in Oberösterreich gefunden werden, ist nicht negativ, sondern zeigt, dass getestet wird. Wir werden uns an solche Cluster gewöhnen müssen. Was wir aber nicht wissen ist, wie schnell und wie konsequent das Containment regional in den Bundesländern funktioniert, wir haben keine genauen Aufzeichnungen darüber", so Popper.
Ein täglicher Anstieg an Neuinfektionen im knapp dreistelligen Bereich sei grundsätzlich nicht so drastisch zu sehen. Wenn das so bliebe, würde es beweisen, dass das Containment funktioniere. Es stelle sich nun aber "die Frage, ob sich das Wachstum weiter beschleunigt". Ob man das jetzt "Zweite Welle" nenne oder wie die WHO als "Wiederaufflackern" sei sekundär.
In ihren neuesten Simulationsmodellen haben sich die Wissenschafter dem Thema "Superspreader" - also einzelne Personen, die eine große Zahl anderer Personen anstecken - gewidmet und positive Aspekte gesehen. "Der sogenannte Dispersionsfaktor ist bei Covid-19 laut aktuellen Studien niedrig. Das bedeutet, dass wenige Personen sehr viele anstecken und bisher ging man oft davon aus, dass das negativ ist", sagte Popper.
Die Modelle würden nun zeigen, dass das eigentlich ganz praktisch sei, weil Tracen und Containment bei Superspreadern sehr gut funktioniere. "Wenn man wirklich gutes Containment macht, kann die Ausbreitung in fast 90 Prozent der Simulationsdurchläufe abgestoppt werden", so Popper. Dagegen funktioniere das bei einer Infektion, wo jeder Infizierte gleich viele Personen ansteckt, im Modell nur bei weniger als 30 Prozent der Fälle.
"Das Virus hat die nette Eigenschaft, dass das Containment sehr gut funktioniert. Aber man muss es - so die Simulationsergebnisse - halt gut machen", sagte der Experte. Entscheidend seien schnelle Tests und die Nachverfolgung von Kontakten sowie das konsequente Containment, also bei einem positiven Testergebnis die Isolierung des Umfelds in sehr kurzer Zeit. Das funktioniert solange die Zahlen nicht zu hoch ansteigen und ist davon abhängig wie viele Ressourcen für das Tracing zur Verfügung stehen.
Abgesehen von den Clustern sehe man, dass die Leute mittlerweile viel mehr Kontakte im Freizeitbereich haben als noch vor einigen Wochen, als diese Kontakte noch um die Hälfte reduziert waren. "Da muss man etwas tun und schauen, dass Hygiene und Abstand wieder eingehalten werden und die Leute mittun", empfiehlt Popper.
Es gebe mittlerweile besseres Wissen darüber, welche Maßnahmen wirken und weniger Schäden verursachen als andere. "Deshalb sollte man bereits klar festlegen, was passiert, wenn die Zahlen weiter steigen, also ob und wo wieder Maskenpflicht kommt, welche Veranstaltungen wieder ausgenommen werden usw., und es wäre gut die Leute frühzeitig darüber zu informieren."