Schmerztherapie: Versorgungsengpässe lassen Patienten leiden
Von Ernst Mauritz
Bei der Behandlung von Patienten mit Schmerzen in Österreich gibt es massive Kapazitäts- und Versorgungsengpässe: "Die Versorgung von Schmerzpatienten in Österreich ist unzureichend", sagte Dienstag Univ.-Prof. Thomas Szekeres, Präsident der Österreichischen Ärztekammer. "Der Akutschmerz, der chronische Schmerz und die Schmerzkrankheit brauchen moderne Behandlungsstrategien, und da hinkt Österreich noch immer nach", so Szekeres. Bis zu 1,8 Millionen Menschen in Österreich sind von chronischen oder chronisch wiederkehrenden Schmerzen betroffen. Bei bis zu 400.000 hat sich der Schmerz als eigenständiges Krankheitsbild verselbstständigt.
"Diese Patienten leiden besonders, viele psychische und soziale Faktoren verstärken den Schmerz", sagt Oberärztin Gabriele Grögl. Die Anästhesistin leitet die Schmerzambulanz in der Krankenanstalt Rudolfstiftung und ist Präsidentin der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG).
Woran es mangelt
"Es fehlt an flächendeckenden Versorgungseinrichtungen", sagt Grögl. Im Gegenteil: In den vergangenen Jahren wurden in Österreich mehr als zehn Schmerzambulanzen geschlossen - aus finanziellen und personellen Gründen. Und von den noch bestehenden 48 Schmerzambulanzen hat wiederum nur ein kleiner Teil täglich geöffnet, manche nur einmal oder zweimal in der Woche. "Die Folge sind Wartezeiten auf einen Termin von drei bis vier Monaten. Das ist eine Katastrophe für die Patienten." Und es bräuchte Netzwerke für die unterschiedlichen Versorgungsebenen - von den Allgemeinmedizinern als erster Anlaufstelle über niedergelassene Fachärzte und nichtärztliche Berufe wie beispielsweise Physiotherapeuten und dann als nächster Ebene den Schmerzambulanzen. Grögl: "Da es diese Netzwerke nicht gibt, müssen Patienten mehrere Monate warten, wenn sie der Praktiker etwa zum Orthopäden schickt. Das frustriert alle."
Die Gründe für den Rückgang der Zahl der Ambulanzen: Einerseits Spargründe. Andererseits aber auch ein Mangel an Anästhesisten, die meistens diese Ambulanzen leiten. Da gleichzeitig der Bedarf an Anästhesisten durch steigende Operationszahlen zunimmt, stehen diese Ambulanzen noch mehr unter personellem Druck. "Eigentlich sollten diese Ambulanzen interdisziplinär von Ärzten verschiedener Fachrichtungen geführt werden", sagt Grögl, aber das sei derzeit nur selten möglich. "Wir können deshalb in den Ambulanzen auch oft keine multimodale Therapie anbieten", wo verschiedene Therapieformen - neben der medikamentösen z.B. individuell abgestimmt Physio- oder Psychotherapie - angewandt werden.
Nur eine interdisziplinäre Schmerzklinik
In Klagenfurt gibt es derzeit die einzige interdisziplinäre Schmerzklinik in Österreich. "Wir haben jährlich 3000 neue Patienten, mittlerweile aus ganz Österreich", sagt Prim. Univ.-Prof. Rudolf Likar, Leiter des Zentrums für Interdisziplinäre Schmerztherapie und Palliativmedizin im Klinikum Klagenfurt am Wörthersee. Bei dem dort angewandten multimodalen Behandlungskonzept wird nicht nur auf die körperlichen Beschwerden, sondern auch auf die psychischen Aspekte sowie die individuellen Lebensumstände der Patienten eingegangen.Damit können langfristig deutliche Verbesserungen erreicht werden: "Die Patienten empfinden den Schmerz als deutlich weniger intensiv, nehmen weniger Medikamente und können vielfach wieder ihrem Beruf nachgehen." Derzeit gebe es aber nur in Kärnten ein solches tagesklinisches Angebot.
Ganz anders die Situation übrigens in Deutschland: "Dort nimmt die Anzahl an Schmerzzentren und Schmerzkliniken ständig zu", sagt Univ.-Prof. Michael Herbert, Klinikvorstand der Uni-Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin in Graz. "Es gibt moderne Konzepte, man muss das Rad nicht neu erfinden", so der Spezialist mit Blick auf Deutschland: "Und es gibt mehr als Aspirin und Morphium."