USA: Neues Medikament gegen Schizophrenie zugelassen
Die amerikanische Arzneimittelbehörde FDA hat ein neues Medikament zur Behandlung von Schizophrenie zugelassen – es ist die erste neuartige antipsychotische Therapie seit Jahrzehnten. Seit den 1950er Jahren, als mit dem ersten Medikament Chlorpromazin gegen Halluzinationen und Wahnvorstellungen ein Durchbruch gelang, wurden zwar weitere Medikamente entwickelt, sie beruhen jedoch alle auf demselben Wirkmechanismus im Gehirn: Sie wirken direkt auf den Botenstoff Dopamin, indem sie den Dopaminrezeptor blockieren.
Dadurch können die Medikamente bei den meisten Patienten Symptome wie Halluzinationen und Wahnvorstellungen auf ein beherrschbares Maß reduzieren. Problematisch ist jedoch die häufige Gewichtszunahme, die zu einer hohen Rate an Herzerkrankungen und vorzeitigen Todesfällen bei Menschen mit Schizophrenie beiträgt. Zudem konnten Probleme im Denken und im Gefühlsleben der Patienten bisher kaum behandelt werden. Schizophrenie-Betroffene denken oft verlangsamt oder sehr stark assoziativ, wirken antriebslos und apathisch.
Neuer Wirkmechanismus mit weniger Nebenwirkungen
Das neue Medikament KarXT mit dem Markennamen Cobenfy führt nicht mehr zu den typischen Nebenwirkungen bisheriger Antipsychotika. Es beeinflusst zwar ebenfalls den Dopaminspiegel, allerdings indirekt. Es verändert den Spiegel von Actylcholin, einem weiteren Neurotransmitter. Dieser Wirkmechanismus führt dazu, dass es nicht nur Halluzinationen und Wahnvorstellungen reduziert, sondern auch Probleme beim Denken.
"Das Spannende an dem neuen Medikament KarXT ist, dass es einen ganz neuen Wirkmechanismus zur Behandlung von Schizophrenie verwendet. Die meisten Antipsychotika wirken auf das dopaminerge System, wodurch nicht selten Nebenwirkungen in der Motorik wie verlangsamte oder auch unwillkürliche Bewegungen auftreten. Außerdem scheint KarXT im Gegensatz zu vielen Antipsychotika nicht zu einer Gewichtszunahme, sondern viel mehr zu einer Gewichtsabnahme zu führen", wird Andreas Meyer-Lindberg, Direktor des Zentralinstituts für seelische Gesundheit Mannheim, in einer Aussendung zitiert.
Erkrankung
Schizophrenie ist eine psychische Erkrankung, die bei etwa einem Prozent der Menschen auftritt und damit relativ selten ist. In Österreich sind rund 80.000 Menschen betroffen. Sie kann jedoch besonders einschränkend für Betroffene sein. Zudem kann das Krankheitsbild sehr unterschiedlich aussehen.
Symptome
Unterschieden wird zwischen unterschiedlichen Symptomatiken.
Bei einer Positiv-Symptomatik weisen die Betroffenen eine stärkere psychische Aktivität auf, die sich beispielsweise durch Halluzinationen und Wahnvorstellungen auszeichnet.
Bei der Negativ-Symptomatik besteht ein Mangel an psychischer Aktivität, die das Denken, Fühlen und Handeln vermindert oder einschränkt. Aufgrund dieser vielseitigen Symptomatik ist es wichtig, dass Behandelnde über unterschiedliche Psychopharmaka verfügen.
"Ein wirklicher Durchbruch"
Alkomiet Hasan von der Universität Augsburg sieht im neuen Mittel "einen wirklichen Durchbruch". "Man muss aber erwähnen, dass die durchgeführten Studien alle eine sehr kurze Laufzeit von sehr wenigen Wochen hatten und wir keine belastbaren Daten zur Verhinderung einer neuerlichen Erkrankung haben. Die Entscheidung einer Zulassung würde ich dennoch als nachvollziehbar und zukunftsorientiert ansehen, aber sagt noch nichts über eine mögliche Entscheidung der EMA (Europäische Arzneimittelbehörde, Anm.) aus. Hier sind die Vorrausetzungen andere und wir haben es ja bei den neuen Antikörper-Wirkstoffen zur Behandlung der Alzheimer-Krankheit gesehen, dass die EMA nicht immer den Entscheidungen der FDA folgt."
In einer im Fachjournal The Lancet veröffentlichten Studie zeigte KarXT eine gute Wirkung. Die Symptome einer akuten Psychose konnten fünf Wochen nach Beginn der Behandlung reduziert werden. Eine weitere im Fachjournal JAMA Psychiatry veröffentlichte Studie zeigte ebenfalls diese Effekte. Weitere Daten belegen eine Wirksamkeit von KarXT bis 52 Wochen nach Beginn der Behandlung. Zudem hatte das Medikament in den Studien eine bessere Verträglichkeit als die bisherigen Medikamente. Patienten berichteten aber von Magen-Darm-Problemen, darunter Übelkeit, Verstopfung und Magenschmerzen.
Laut der Zulassungserklärung der FDA darf das Medikament nicht an Patienten mit Leberfunktionsstörung verabreicht werden, da es Leberschäden verursachen könne.
Hohe Kosten
Die Kosten des Medikaments sind allerdings sehr hoch. In den USA werden Patienten pro Jahr voraussichtlich rund 20.000 Dollar bezahlen müssen. Weitere Hersteller arbeiten jedoch an der Entwicklung anderer Medikamente mit dem neuen Wirkmechanismus, was den Preis reduzieren könnte.
Ob KarXT auch in Europa auf den Markt kommt, ist noch offen – eine Entscheidung der EMA steht noch aus. "Eine Ablösung anderer Antipsychotika sehe ich aber in keinem Fall. Es wäre eine sehr sinnvolle Ergänzung insbesondere für frühe Therapieverläufe und auch für therapieresistente Verläufe, wo verschiedene Konzepte kombiniert werden können", sagt Hasan.