Krisenzeit Weihnachten: Wie man den Familienkrach verhindert
Von Dorothe Rainer
Zu Weihnachten kommt die ganze Familie zusammen, um gemeinsam zu feiern. Draußen schneit es, drinnen ist der geschmückte Christbaum hell erleuchtet. Der Tisch ist mit dem feinen Porzellan festlich gedeckt, es duftet nach frisch gebackenen Keksen.
Nacheinander treffen die Gäste ein, Umarmungen, Lachen, Freude, bis spät in der Nacht sitzt man zusammen packt Geschenke aus und … Schnitt! Kommt Ihnen diese Szene bekannt vor? Ja doch, aus der Werbung oder diversen Hollywoodfilmen.
Die Realität sieht oft anders aus. Da herrschen am 24. Hektik und Stress: Die letzten Einkäufe müssen noch erledigt werden, der kleine Max hat Ohrenschmerzen, der Christbaum ist noch nicht aufgeputzt und da stehen schon die Schwiegereltern in der Tür. Eine Stunde später fetzt man sich mit dem Schwager, weil der den Wein nicht gebührend zu schätzen weiß.
„Nicht selten ist so ein Streit ein Ventil, um den aufgestauten Frust los zu werden“, erklärt Psychotherapeutin Patricia Göttersdorfer. Und gerade Weihnachten ist prädestiniert für diese Form des Abreagierens, weil es Stress und Hektik gibt – und es in den eigenen vier Wänden nicht Hollywood spielt.
Teamwork
"Druck wegnehmen" lautet deshalb die erste Devise für ein gelungenes und friedliches Weihnachtsfest. Perfektion ist da kein Kriterium. „Man sollte davon verabschieden, es allen recht machen zu wollen, weil das nicht gelingen kann“, so Viel wichtiger ist es, im Vorfeld als Familie abzuklären, wie man es heuer machen möchte und wie man den Abend oder die Feiertage gestalten will.
Die Aufgaben sollten im besten Fall auf alle verteilt werden, damit es ein gemeinsamer Erfolg oder Misserfolg wird. „Wenn man aktiv etwas beitragen kann, ist man besser in der Festivität drin“, so die Expertin. Allerdings ist Freiwilligkeit dabei sehr wichtig. Niemand sollte zu irgendetwas gezwungen werden, denn das sorgt für schlechte Grundstimmung.
Zu Groll und Missstimmung können auch altgediente Rituale oder Traditionen werden. Gerade wenn Kinder in die Pubertät kommen, haben sie meist andere Vorstellungen und Wünsche. „Die Eltern sollten das tolerieren und mit den Kindern absprechen, was sie sich wünschen und gemeinsam nach Kompromissen suchen“, so Göttersdorfer.
Das gilt auch für junge Familien, die nicht selten schon deshalb unter Stress stehen, mit welchen Großeltern sie wann und wie feiern. Ihnen rät die Expertin, es sich so einzurichten, wie es für die junge Familie am besten passt, und die Feiern zum Beispiel auf jeweils andere Tage zu verteilen. Das geht oft nicht ohne Kränkung über die Bühne. Um aber Eifersüchteleien vorzubeugen und damit weiteren Krachs, sollte man beide Eltern möglichst gleich behandeln, und so ein „Enttäuschungsgleichgewicht“ herstellen, denn dann fühlt sich zumindest keiner benachteiligt.
Eine Herausforderung für zwischenmenschliche Beziehungen ist auch die viele Zeit, die man miteinander verbringt, gerade, wenn man sich übers Jahr nur selten sieht. Da können sich Diskussionen schnell zu einem Streit entwickeln. Deshalb ist es wichtig, sich auch aus dem Weg zu gehen. „Weihnachten soll nicht heißen, dass man ständig aufeinander hockt“, so Göttersdorfer. Denn auch Langeweile kann die Streitlust wecken, deshalb sollte man Spiele vorbereiten, in den Tierpark gehen oder gemeinsam rodeln – so werden nicht nur lustige Erinnerungen geschaffen, sondern auch Gemeinschaftsgefühl gestärkt und Streitlust gehemmt.
Emotionen
Familiendispute sind unter anderem deshalb so schwierig, weil es meist um mehr geht als um den tatsächlichen Streit. Die Beteiligten verbindet ja eine gemeinsame Geschichte und da werden statt sachlicher Argumente schnell Vorwürfe, Angriffe und Beleidigungen ausgepackt. Kommt es zu einer Konfrontation an den Festtagen, sollte man deshalb lieber zu angriffsarmen Ich-Aussagen greifen statt zu provozierenden Anklagen. So ist es besser zu sagen: „Du, das überfordert mich gerade“, als dem anderen Vorwürfe zu machen.
Strategien für ein friedliches Fest:
Für die anderen Familienmitglieder gilt, sich nicht einzumischen oder gar schlichten zu wollen, denn das funktioniert nicht. Besser ist es, vermittelnd einzugreifen. „Einfach den anderen fragen, ob man den Streit auf nach die Feiertage vertagen kann und vielleicht auch gleich einen Termin festlegen“, rät Göttersdorfer. Ein guter Streit braucht nämlich neben gutem Timing eine gute Vorbereitung.
Eine getrübte Stimmung am Weihnachtsabend muss aber nicht nur innerfamiliäre Gründe haben, sie kann aber auch von äußeren Umständen abhängen. Etwa durch einen Todesfall in der Familie oder durch eine kürzliche Trennung. Hier ist vor allem Verständnis gefragt: „Man muss sich bewusst sein, in welcher Situation sich die Person befindet und ihr zu verstehen geben, dass sie sein kann, wie sie möchte und sich nicht verstellen muss“, so Göttersdorfer. Es hilft auch, die Trauer zuzulassen und sich bewusst an den fehlenden Menschen zu erinnern, allerdings sollte das immer in Rücksprache mit den Betroffenen geschehen.
Nächstes Jahr
Die allermeisten lieben ja Weihnachten, weil es ein schönes Fest ist und es meist auch mit vielen positiven Erinnerungen verbunden ist. Trotzdem gibt es auch Menschen, die es am liebsten, aus Angst vor Unstimmigkeiten und Konflikten, auslassen würden. „Das wäre schade um die schöne Gelegenheit, gemeinsam zu feiern“, sagt Göttersdorfer und verweist darauf, dass ja nichts in Stein gemeißelt ist und man immer die Möglichkeit zur Veränderung hat.
„Nur darauf zu hoffen, dass es nächstes Jahr besser wird, ist zu wenig, man muss es klar ansprechen“, so ihr Rat. So eignet sich die Zeit nach Weihnachten gut zum Rekapitulieren und dafür, Verbesserungsvorschläge zu machen. Dabei sollte man auf die eigene innere Stimme hören, was man anmerken darf und kann und was nicht und sich bewusst sein, dass familiäre Veränderungen besser in kleinen Schritten geschehen.
„Der größte Fehler ist, nichts zu sagen und es weiter nur zu erdulden“, so Göttersdorfer. Denn das Gute an Jesus’ Geburtstag ist ja, dass er alle Jahre wieder gefeiert wird – und man so immer die Chance bekommt, es beim nächsten Mal besser zu machen.