Wissen/Gesundheit

Krebshilfe empfiehlt Mammografie bereits ab 40 alle zwei Jahre

Große Fortschritte bei den Therapien gegen Brustkrebs, positive Daten aus dem Früherkennungsprogramm, gleichzeitig ein deutlich steigender Beratungs- und Hilfsbedarf von Patientinnen – im Bereich der Psychoonkologie ebenso wie bei finanzieller Soforthilfe: Zum Start des Brustkrebsmonats Oktober und der Pink-Ribbon-Aktion spricht Paul Sevelda, Präsident der Österreichischen Krebshilfe, über die aktuelle Situation im Bereich der Therapie und Versorgung von Brustkrebspatientinnen.

KURIER: Können Sie kurz die Fortschritte bei der Therapie erklären?

Paul Sevelda: Wir können mehrere neue Gruppen von Medikamenten einsetzen, etwa die Immuntherapie, die dazu führt, dass die körpereigene Abwehr Krebszellen besser bekämpfen kann. Erst vor Kurzem wurde eine Studie publiziert, dass damit auch bei der aggressivsten Form von Brustkrebs die Überlebenszeit verlängert werden kann.

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Oder Kombinationen eines Antikörpers mit einer Chemotherapie. Der Antikörper erkennt Krebszellen an bestimmten Oberflächenmerkmalen, dockt ganz gezielt nur an diese an. Die an den Antikörper gebundene Chemotherapie wirkt dadurch direkt am Ort der Krebszellen und nicht gegen gesunde Zellen. 

Spezielle Medikamente bei erblich bedingtem Brustkrebs wiederum lassen gezielt Krebszellen absterben. Aber auch die Strahlentherapie hat sich wesentlich verbessert. Insgesamt werden die Therapien immer verträglicher und wirksamer.

Und wie wirkt sich das konkret auf die Erkrankung aus?

Nimmt man alle Erkrankungen zusammen – selbst jene, die bei der Erstdiagnose bereits metastasiert sind –, leben zehn Jahre nach der Diagnose 85 bis 90 Prozent der Patientinnen. Das ist enorm. Und auch die Lebensqualität ist viel größer, da die neuen Therapien deutlich weniger Nebenwirkungen haben.

Welche Effekte hat das Früherkennungsprogramm für Brustkrebs?

Seit zehn Jahren werden Frauen zwischen 45 und 74 Jahren alle zwei Jahre zur kostenlosen Früherkennungsmammografie eingeladen – leider nehmen nur 55 Prozent der Altersgruppe das Angebot wahr. Drei Viertel der dabei entdeckten Karzinome sind kleiner als 15 Millimeter Durchmesser, sind also Frühdiagnosen mit einer günstigen Prognose. Das ist eine deutliche Verbesserung gegenüber der Situation vor der Einführung des Programms. Frauen zwischen 40 und 45 sowie ab 75 Jahren können sich aktiv zur Teilnahme anmelden.

Wobei wir seitens der Krebshilfe bereits ab dem 40. Geburtstag alle zwei Jahre eine Mammografie empfehlen – und es auch begrüßen würden, die Einladungsschreiben bereits ab dem 40. Lebensjahr zu verschicken. Wir sehen vermehrt Krebserkrankungen bereits ab 40. Warum diese in jüngeren Jahren häufiger werden, wissen wir nicht. Möglicherweise liegt es am Lebensstil, aber das ist Spekulation. An der Pille liegt es nicht, weil es einen Trend weg von der Pille gibt.

Ein Drittel der 40.000 Menschen, die jährlich in Österreich an Krebs erkranken, wünscht sich psychische Begleitung. Kostenfreie Angebote sind aber begrenzt.

Im stationären Bereich ist die Psychoonkologie mittlerweile ein selbstverständlicher Teil der onkologischen Therapie. Das hat sich gut entwickelt. Ganz anders ist die Situation außerhalb der Spitäler. Hier wird derzeit der Bedarf an kostenfreier ambulanter psychoonkologischer Versorgung vorwiegend von der Österreichischen Krebshilfe abgedeckt – finanziert ausschließlich aus Spenden.

In den 63 Beratungsstellen der Krebshilfe arbeiten rund 100 Psychoonkologen und Psychoonkologinnen, zumeist sind das speziell ausgebildete Psychologinnen oder Psychotherapeutinnen. 30.000 Menschen – Patienten und Angehörige – wurden im Vorjahr betreut. Aber dieses System stößt an seine Grenzen: Der Bevölkerungszuwachs und die höhere Lebenserwartung lassen die Zahl der Krebspatienten steigen, und auch die Pandemie hat den Bedarf erhöht.

Häufigkeit
6.100 Frauen und 65 Männer erhielten laut Statistik Austria  2022 in Österreich die Diagnose Brustkrebs. 

Im Alter von 35 Jahren erkrankt laut ÖGK etwa jede 110. Frau, mit 65 Jahren ist es bereits jede 27. Frau.

Informationen für Betroffene und Angehörige:
www.krebshilfe.net
www.frueh-erkennen.at

Seit Jänner gibt es aber zumindest einen Kostenzuschuss für klinisch-psychologische Behandlung?

Dieser deckt aber nur circa ein Drittel der tatsächlichen Kosten ab, bei der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) sind es 34 Euro für eine 60-minütige Einzelsitzung. Viele können sich trotzdem eine solche Behandlung nicht leisten. Wir als Krebshilfe verhandeln mit den Sozialversicherungen, dass auch wir diese Drittelfinanzierung für unsere Patienten abgegolten bekommen. 

Unser Ziel aber ist – gemeinsam mit dem Berufsverband der Psychologinnen und Psychologen –, dass eine psychoonkologische Begleitung in Zukunft einfach über das Stecken der E-Card zu 100 Prozent abgegolten wird – und nicht nur bei der Krebshilfe kostenfrei ist.

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Welche Bedeutung hat die finanzielle Soforthilfe?

In den vergangenen zehn Jahren hat die Österreichische Krebshilfe knapp 2,9 Millionen Euro an finanzieller Unterstützung an Krebspatienten ausbezahlt – den überwiegenden Teil von knapp 2,35 Millionen Euro an Frauen mit unterschiedlichen Krebsdiagnosen. Das umfasst vor allem krankheitsbezogene Kosten wie Selbstbehalte etwa für Perücken, Spitalsaufenthalte oder Rehabilitation sowie auch Fahrtkosten und Rezeptgebühren. An der steigenden Nachfrage sehen wir täglich, wie der Wohlstand der österreichischen Bevölkerung zurückgegangen ist. Möglich ist diese Soforthilfe nur dank der Spenden der zahlreichen Pink-Ribbon-Partner.

2025 wird die Österreichische Krebshilfe 115 Jahre alt. Aus diesem Anlass schreibt sie einen Forschungsförderungspreis zum Thema Brustkrebs in der Höhe von 115.000 Euro aus. Warum?

Einerseits wollen wir durch Unterstützung der Forschung eine weitere Senkung der Erkrankungs- und Sterbezahlen erreichen. Und wir wollen ein positives Zeichen gegen die Wissenschaftsskepsis setzen: Der Fortschritt der Medizin beruht auf Forschungsergebnissen, von denen wir alle profitieren.