Wirbel um AstraZeneca: US-Experten vertrauen Daten nicht
Von Anita Kattinger
Der britisch-schwedische Pharmakonzern AstraZeneca und die Universität Oxford hatten am Montag einen Durchbruch bei der gemeinsamen Entwicklung eines Corona-Impfstoffs gemeldet. Jetzt regt sich in den USA Kritik an der wissenschaftlichen Glaubwürdigkeit des Unternehmens.
Der Impfstoff soll im Durchschnitt eine 70-prozentige Wirksamkeit gegen SARS-CoV-2 aufweisen. Die Wirksamkeit bezieht sich auf zwei unterschiedliche Studienabschnitte: einmal wurde die volle Impfstoffdosis verabreicht, einmal eine halbe sowie eine volle ein Monat später.
Schlamperei oder glücklicher Zufall? "Ich kann einfach nicht herausfinden, woher alle Informationen stammen und wie sie miteinander kombiniert werden", kritisierte Natalie Dean, Biostatistikerin und Expertin für das Design von Impfstoffstudien an der Universität von Florida. Sie schrieb auf Twitter, dass AstraZeneca und Oxford "eine schlechte Note für Transparenz und Genauigkeit erhalten, wenn es um die von ihnen gemeldeten Ergebnisse von Impfversuchen geht".
Laut der New York Times behaupten Wissenschafter und Branchenexperten, der Fehler und die Art und Weise, wie AstraZeneca die Daten ursprünglich offenlegte, hätten ihr Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Ergebnisse untergraben.
So war es zum Beispiel der Leiter der Flaggschiff-Impfstoff-Initiative - nicht das Pharmaunternehmen -, der erstmals bekannt gab, dass die vielversprechenden Ergebnisse des Impfstoffs keine Daten älterer Menschen enthalten.
Unternehmen meldete Fehler sofort an Behörden
Laut Experten würden dadurch die Chancen auf eine schnelle Genehmigung sinken: "Ich denke, dass sie das Vertrauen in ihr gesamtes Entwicklungsprogramm wirklich geschädigt haben", sagte Geoffrey Porges, Analyst bei der Investmentbank SVB Leerink.
Michele Meixell, eine Sprecherin von AstraZeneca, sagte, die Versuche seien "nach höchsten Standards durchgeführt worden". AstraZeneca-Manager Menelas Pangalos, der für einen Großteil der Forschung und Entwicklung des Unternehmens verantwortlich ist, verteidigte die Handhabung der Tests und die Veröffentlichung durch das Unternehmen.
Der Fehler in der Dosierung sei einem Auftragnehmer passiert und die Aufsichtsratsbehörden seien, sobald er entdeckt wurde, sofort darüber in Kenntnis gesetzt und über den Plan benachrichtigt worden, den Impfstoff in verschiedenen Dosen weiter zu testen.
Auf die Frage, warum AstraZeneca diese Informationen mit Wall-Street-Analysten und einigen anderen Beamten und Experten, aber nicht mit der Öffentlichkeit geteilt habe, antwortete er: "Ich denke, die beste Art, die Ergebnisse widerzuspiegeln, ist in einem von Experten begutachteten wissenschaftlichen Journal, nicht in einer Zeitung."
Milliarden-Geschäft mit Impfstoff-Herstellung
Hinter der Impfstoff-Forschung steckt ein Milliarden-Geschäft: Im Rennen um den besten und schnellsten Impfstoff spielen das US-Unternehmen Moderna und der Impfstoff des US-Unternehmens Pfizer und BioNTech ganz vorne mit.
Als Moderna eine Wirksamkeit von 94,5 Prozent seines Vakzins bekannt gab, rutschten die BioNTech-Papiere, die primär in den USA gelistet sind, deutlich mit rund zehn Prozent ins Minus ab.
Die EU-Kommission hat sich bekanntlich je rund 400 Millionen Impfstoffdosen bei AstraZeneca sowie bei Pfizer/BioNTech gesichert, bei Moderna lautet der Vertrag auf 160 Millionen Dosen. Da die Impfung aus Oxford weitaus billiger in der Herstellung ist und im Gegensatz zu den beiden anderen Wirkstoffen bei Kühlschranktemperatur gelagert werden kann, gilt sie als Hoffnungsträger für arme Länder.