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HPV-Impfung kann Krebs verhindern: Durchimpfungsrate aber gering

Für Nadja Wagner war die Diagnose ein Schock: Bei der Vorsorgeuntersuchung beim Gynäkologen wurde Gebärmutterhalskrebs diagnostiziert – ausgelöst durch eine HPV-Infektion. "Der Tumor war schon pfirsichgroß. Ich wurde operiert, habe Chemotherapie bekommen. Das war sehr schlimm für mich", erzählt sie. Sie habe sich nicht mehr als Frau gefühlt, erhielt die Aussicht, keine Kinder mehr bekommen zu können.

"Da ist es mir gesundheitlich nicht gut gegangen. Wie durch ein Wunder wurde ich doch schwanger, es war aber eine sehr schwierige Schwangerschaft, weil ich keinen Muttermund mehr hatte und ab der achten Woche absolute Bettruhe einhalten musste", berichtet Wagner. Ihre heute gesunde Tochter kam als Frühchen in der 31. Schwangerschaftswoche mit nur einem Kilogramm Körpergewicht zur Welt.

8 von 10 infizieren sich mit HPV

Nadja Wagners leidvolle Erkrankung wäre vermeidbar. Deshalb geht sie mit ihrer Geschichte an die Öffentlichkeit – sie möchte an andere appellieren, sich und vor allem ihre Kinder gegen HPV impfen zu lassen.

HPV steht für Humane Papillomaviren, die vor allem über sexuelle Kontakte übertragen werden – Kondome bieten keinen sicheren Schutz vor einer Ansteckung. Eine HPV-Infektion kann zu Krebs, darunter Gebärmutterhalskrebs, Analkrebs sowie Penis- und Scheidenkrebserkrankungen, Krebsvorstufen und Genitalwarzen führen. Etwa 80 Prozent aller Frauen und Männer infizieren sich im Lauf ihres Lebens mit genitalen HPV.

In Österreich erkranken jedes Jahr rund 400 Frauen neu an Gebärmutterhalskrebs, circa 140 sterben jedes Jahr aufgrund der Erkrankung. 6.000 Operationen seien jährlich notwendig, auch, um Krebsvorstufen zu entfernen. Betroffene Frauen haben zudem ein erhöhtes Risiko für Frühgeburten und eine erhöhte Säuglingssterblichkeit bei späteren Schwangerschaften. "Dieses Leid ist heute nicht mehr notwendig. Es gibt eine sehr effektive Impfung, mit der wir Gebärmutterhalskrebs ausrotten können, aber nur, wenn die Durchimpfungsrate steigt", sagte Christian Schauer, Präsident der Arbeitsgemeinschaft für Gynäkologische Onkologie anlässlich einer Pressekonferenz am Dienstag.

Die HPV-Impfung kann 90 Prozent aller Gebärmutterhalskrebserkrankungen verhindern. Dazu müsse jedes Kind im Alter von neun bis zwölf Jahren geimpft werden. "Derzeit sind allerdings nur rund 40 Prozent der Menschen in Österreich mittels Impfung geschützt. Wir treten dafür ein, dass alle Kinder in einem Schulimpfprogramm geimpft werden", betonte Schauer. Dies soll über ein "opt-out" erfolgen, das heißt, alle Kinder werden geimpft, außer Eltern entscheiden sich aktiv dagegen. 

Die Impfung gegen Humane Papillomaviren (HPV) deckt neun HPV-Typen ab, die für nahezu alle HPV-bedingten Krebsarten verantwortlich sind, darunter jene fünf, die in Europa am häufigsten sind.

Für Kinder im Alter zwischen neun und zwölf Jahren ist sie kostenlos und wird in zwei Dosen verabreicht. Bei späterer Impfung muss der Selbstkostenpreis bezahlt werden und es braucht ein Drei-Dosen-Schema.

Kostenlos für Kinder

Schon seit 2014 ist die Impfung für Kinder zwischen neun und zwölf Jahren kostenlos. In diesem Alter ist sie laut Studien am effektivsten. Zudem sind die Kinder noch nicht sexuell aktiv und nicht infiziert. Ab dem vollendeten zwölften bis zum 18. Lebensjahr kann die Impfung zum Selbstkostenpreis (zirka 70 Euro pro Teilimpfung) nachgeholt werden. Dieses Angebot werde allerdings kaum angenommen.

Das Gesundheitsministerium empfiehlt allen bis zum 30. Lebensjahr die HPV-Impfung nachzuholen, bei manchen Immunerkrankungen sowie bei Menschen, bei denen bereits eine HPV-bedingte Krebsart aufgetreten ist, auch später. "Die HPV-Impfung kann vor einer neuerlichen Erkrankung schützen. Studien zeigen, dass das Risiko für ein Rezidiv, also das Wiederauftreten des Krebses oder der Krebsvorstufe nach Konisation (Anm.: Entfernung von Gewebe aus dem Gebärmutterhals) durch die Impfung um bis zu zwei Drittel gesenkt werden kann", sagte Christoph Grimm, Gynäkologe an der MedUni Wien.

Welche positiven Effekte die HPV-Impfung haben kann, zeigt sich in Australien: Seit Beginn des Impfprogramms im Jahr 2015 sind 80 Prozent der bis zu Zwölfjährigen geimpft. "Je 100.000 Frauen erkrankten im Jahr 2015 acht Frauen pro Jahr an Gebärmutterhalskrebs. Diese Rate geht bereits zurück – im Jahr 2028 wird sie sich halbiert haben. In nur 13 Jahren einen solchen Effekt zu erreichen, ist sehr eindrucksvoll", so Grimm. Mit einer Inzidenz von vier je 100.000 Frauen werde Gebärmutterhalskrebs dann als seltene Erkrankung gelten.

Auch Buben und Männer schützen

Wichtig sei, dass nicht nur Mädchen, sondern auch Buben geimpft werden, betonte Maria Paulke-Korinek vom Gesundheitsministerium. "Das ist zum einen ein Individualschutz – auch Buben und Männer können erkranken, etwa an Anal- und Peniskarzinomen. Zum anderen kann so viel schneller Herdenimmunität aufgebaut werden", so Paulke-Korinek.

Eltern, die verunsichert sind, ihre Kinder so früh gegen eine sexuell übertragbare Krankheit zu impfen, legte Paulke-Korinek ans Herz, dass der Impfstoff bei Neun- bis Zwölfjährigen am effektivsten sei. In einer Studie über acht Jahre konnte eine Wirksamkeit von 100 Prozent nachgewiesen werden. Aus diesem Grund brauche es in dieser Altersgruppe zwei Impfungen, während in späterem Alter drei Impfungen benötigt werden.

Österreichs Ärztefachgesellschaften haben gemeinsam mit der Krebshilfe eine HPV-Allianz gebildet, mit dem Ziel, die Durchimpfungsrate zu steigern. Über einen Wettbewerb etwa in Schulen sowie Kampagnen auf Social Media soll die Impfbereitschaft erhöht werden. Zudem sollen Aktionen wie das Beleuchten des Riesenrads oder des Grazer Schlossbergs in Petrol/Blaugrün, der Farbe für Bewusstsein für Gebärmutterhalskrebs, für Aufmerksamkeit sorgen.

Die ehemalige HPV-Betroffene und frühere Gebärmutterhals-Krebspatientin Nadja Wagner hat ihre Tochter mit zehn Jahren nun auch impfen lassen.