Wissen/Gesundheit

Psychische Belastung: Was Hochwasser-Betroffene jetzt brauchen

Die massiven Regenfälle in Ostösterreich haben am Wochenende zu zahlreichen Feuerwehreinsätzen, Evakuierungen und verheerenden Überschwemmungen geführt. Tausende Menschen sind unmittelbar vom Hochwasser betroffen und die psychischen Belastungen sind enorm. Insbesondere in Niederösterreich mussten Familien ihr Zuhause verlassen, viele Häuser und Keller stehen unter Wasser. Für die Betroffenen ist das ein großer Schock – auch wenn die Regenmengen angekündigt waren und einige Vorbereitungen getroffen wurden, war das tatsächliche Ausmaß kaum vorhersehbar.

Neben den materiellen Schäden, finanziellen und existenziellen Sorgen belastet die Situation die Betroffenen auch psychisch enorm. "Man hat das sprichwörtliche Gefühl, den Boden unter den Füßen zu verlieren", sagt Psychotherapeutin Sonja Staunig vom Hilfswerk Kärnten. Staunig betreute Betroffene des Kärntner Hochwassers im Sommer 2023. "Bei vielen Menschen war das Zuhause – der Ort, der Sicherheit und Schutz bietet – zerstört. Durch die Muren und Evakuierungen konnten einige nicht mehr in ihre Wohnungen zurückkehren, manche sogar bis heute. In solchen Momenten ist es wichtig, durch Gespräche Stabilität zu schaffen", erzählt sie. Die Herausforderung besteht nicht nur darin, mit den materiellen Schäden umzugehen, sondern auch die psychische Belastung zu bewältigen.

Körper und Psyche brauchen auch Pausen

Viele Menschen sind in dieser Ausnahmesituation ununterbrochen beschäftigt, sei es mit dem Auspumpen der Keller oder mit dem Versuch, das Haus abzudichten. Dabei vergessen sie oft, zu essen, zu trinken oder Pausen einzulegen. Diese Grundbedürfnisse dürfen jedoch nicht vernachlässigt werden. Man versucht in der Situation sich zusammenzureißen und alles zu geben. Der Verlust des Zuhauses und die Kosten für die Wiederherstellung bringen viele an den Rand ihrer Kräfte. Existenzängste verstärken den emotionalen Druck. Aber auch in der Akutsituation braucht es Pausen, um dem Körper und der Psyche Erholung zu geben. 

Gespräche mit Krisenpsychologen und Psychotherapeuten können Betroffenen Sicherheit und Halt geben. Meistens werden diese Angebote erst genutzt, wenn die akute Krise etwas nachgelassen hat. Staunig erinnert sich: "Beim Hochwasser in Kärnten waren die ersten Anrufe und e-Mails etwa eine Woche später. Meistens ist das Bedürfnis da, das Passierte zu erzählen. Es hilft, das Geschehene noch einmal auszusprechen und zu ordnen. In solchen Situationen ist vieles durcheinander, und eine professionelle Perspektive von außen kann dabei helfen, Klarheit zu schaffen." 

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Wie mit Kindern darüber sprechen?

Ein häufiges Thema in den Gesprächen sei der Umgang mit Kindern in einer betroffenen Familien. "Wichtig ist, einen ruhigen Ort zu schaffen, wo die Familie gemeinsam über das Erlebte sprechen kann. Wenn Stress und finanzielle Sorgen die Familie belasten, können psychologische Gespräche dazu beitragen, zur Ruhe zu kommen." Selbst einfache Dinge, wie sich für fünf Minuten hinzusetzen und tief durchzuatmen, können sehr wirkungsvoll sein. 

Im Gespräch mit Kindern braucht es altersgerechte Erklärungen. Dabei sollte man offen und ehrlich sein, aber ohne unnötige Details oder Ängste zu schüren. Kinder merken oft, wenn etwas verschwiegen wird, und das kann ihre Unsicherheit verstärken. Wenn man etwas nicht weiß, sollte man das zugeben und versuchen, gemeinsam eine Antwort zu finden. Eltern sollten Sicherheit vermitteln, etwa indem sie betonen, dass es viele Menschen gibt, die jetzt helfen, wie die Feuerwehr, Nachbarn oder Behörden. Zudem sollten Gefühle ernst genommen werden und soweit möglich, Normalität aufrechterhalten. 

Eine weiterer Aspekt in der Krisenintervention ist es, herauszufinden, welche Unterstützung im Umfeld zur Verfügung steht. "Es geht darum, zu überlegen, wo man Halt findet und welche Personen man in der Situation braucht, an die man vielleicht nicht sofort gedacht hat", sagt Staunig.

Akutbetreuung können selbst von einer Katastrophe Betroffene, Angehörige von Betroffenen sowie Helfer oder die Bevölkerung im betroffenen Gebiet in Anspruch nehmen. 

Folgende Organisationen bieten zum Beispiel Krisenbetreuung an:

  • Kriseninterventionszentrum: Beratung von Montag bis Freitag 8 bis 17 Uhr unter 01/406 95 95 sowie anonym per E-Mail. 

  • Notfallpsychologischer Dienst: Montag bis Freitag 9 bis 17 Uhr unter 0699/18855400.

  • Telefonseelsorge: Telefonisch erreichbar unter der Notfallnummer 142, rund um die Uhr, jeden Tag. Zudem steht ein Sofortchat täglich von 16.0023.00 Uhr zur Verfügung – direkt und anonym. Ebenso gibt es eine Mailberatung. 

Zudem kann man sich an die Nothilfe-Angebote von Hilfsorganisationen in der Nähe wenden, die an "Österreich hilft Österreich" beteiligt sind. Dazu zählen 

Langfristige Auswirkungen auf die Psyche

Manchmal wird den Betroffenen erst im Nachhinein bewusst, wie stark sie belastet sind. "Solche Katastrophen können auch alte, bereits überwundene psychische Probleme wieder auslösen. Wer in der Vergangenheit bereits etwas Ähnliches erlebt hat, kann durch den Verlust des sicheren Raumes erneut in Ängste verfallen", so Staunig. Sie betont, wie wichtig es ist, sich rechtzeitig Hilfe zu holen, wenn man merkt, dass man allein nicht weiterkommt. Staunig: "Der große Unterschied zwischen Gesprächen mit Angehörigen und denen mit Psychologen oder Psychotherapeuten ist, dass Angehörige emotional oft selbst betroffen sind. Therapeuten können dagegen eine professionelle Distanz wahren. Viele Menschen möchten ihre Angehörigen nicht zusätzlich belasten, besonders wenn es ihnen selbst schlecht geht. Ein externer, professioneller Gesprächspartner ist hingegen speziell dafür da, zuzuhören und Unterstützung zu bieten."

Die psychischen Folgen von Naturkatastrophen wie Hochwasser reichen oft weit über den Moment hinaus. Auch Monate nach dem Ereignis können Symptome wie Schlafstörungen, Angstzustände oder das Wiedererleben traumatischer Momente auftreten. In einigen Fällen entwickelt sich sogar eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), die professionelle Langzeitbetreuung erfordert.