Geburtenrate bricht ein: Was den Kinderwunsch in Österreich erschwert
Durchschnittlich 40 Prozent der Menschen in Österreich wünschen sich ein oder ein weiteres Kind: Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage, die das Integral Institut für das Gynmed Ambulatorium in Wien durchgeführt hat. Befragt wurden Männer und Frauen zwischen 18 und 49 Jahren. Dies ist der exakt gleiche Wert wie vor acht Jahren, als die Studie in ähnlicher Form durchgeführt wurde. Bei Männern (45 Prozent) und unter 30-Jährigen (65 Prozent) ist der Kinderwunsch besonders deutlich ausgeprägt.
Gefragt wurde unter anderem, was die Umsetzung des Kinderwunsches erleichtert. Dabei gab es eine starke Zunahme bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie mit flexiblen Arbeitszeiten oder Teilzeit sowie beim Thema höheres Familieneinkommen. Drei Viertel der Befragten würden sich durch kostenlose Kinderbetreuungseinrichtung unterstützt sehen und zwei Drittel bei längeren Öffnungszeiten der Betreuungseinrichtungen. "Dies ist leider ein negativer Befund für die Sozial- und Familienpolitik. Seit der letzten Befragung 2016 hat sich die Einkommenssituation, die Vereinbarkeit und das Betreuungsangebot aus Sicht der Eltern offenbar deutlich verschlechtert”, erklärt Christian Fiala, Gynäkologe und Leiter des Gynmed Ambulatoriums in Wien. Etwas weniger ausschlaggebend für die Realisierung des Kinderwunsches ist - im Vergleich zu 2016 - eine langfristig stabile Beziehung.
Stadt-Land-Gefälle, Trend zum Einzelkind
Die Hälfte der Befragten, die noch keine Kinder hat, wünscht sich welche. Im Jahr 2016 gaben noch deutlich mehr, nämlich 71 Prozent der Kinderlosen an, dass sie sich Kinder wünschen. Das entspricht einem Rückgang von 20 Prozent. Die Mehrzahl wünscht sich zwei Kinder, doch der Trend zum Einzelkind verstärkt sich weiter: Wollten 2016 noch 18 Prozent ein einziges Kind, sind es jetzt bereits 24 Prozent.
Eine Kluft gibt es beim Bildungsgrad sowie beim Stadt-Land-Gefälle. In kleinen Orten hat fast jeder Zweite ein Kind, in größeren Städten war dieser Anteil um 20 Prozent niedriger. Das gleiche Verhältnis zeigt sich bei der formalen Bildung. Jeder Zweite mit Pflichtschulabschluss/Lehre gab an, dass er Kinder hat. Bei formal höher gebildeten (Matura- und Uni-Abschluss) war es nicht mal ein Drittel.
Corona-Zeit ohne Einfluss auf Kinderwunsch
Der Geburtenrückgang seit der ersten Befragung im Jahr 2016 liegt bei 11 Prozent - ein "dramatischer Wert", heißt es bei Gynmed. Die Corona-Zeit hatte entgegen häufiger Vermutungen für die Allermeisten aber keine Auswirkung auf die Familienplanung. Zwar hatten acht Prozent danach einen geringeren Kinderwunsch, dieser wurde aber kompensiert durch ebenfalls acht Prozent, die seit der Pandemie einen verstärkten Kinderwunsch verspüren.
"Nach wie vor ist der Wunsch nach einer langfristig stabilen Beziehung zentral für den Wunsch nach gewollten Kindern - zunehmend ausschlaggebend wird aber die Einkommenssituation und die Vereinbarkeit von Job und Familie", fasst Fiala zusammen. "Es wird auch aufzuklären sein, wieso trotz konstantem Kinderwunsch die Geburtenrate derart eingebrochen ist." Die Umfrage bestätige "die dringende Notwendigkeit einer Familienpolitik, die Paare mit ihrem Kinderwunsch fördert".
Gleichzeitig müsse die Prävention ungewollter Schwangerschaften dringend verbessert werden, wie etwa die Kostenübernahme von Verhütung, die derzeit meist von Frauen getragen wird. Fiala: "Die Unterstützung für gewollte Kinder ist ebenso wichtig wie die Vermeidung ungewollter Schwangerschaften."