Erhöht starker Pollenflug das Risiko für Corona-Infektion?
Von Ingrid Teufl
Eine aktuelle Studie der Technischen Universität München und des Helmholtz Zentrums Müchen bringt unangenehme Neuigkeiten für Allergiker. Die Forscher fanden heraus, dass vor allem starker Pollenflug das Corona-Risiko erhöhe. Die Untersuchung wurde im Fachmagazin "Proceedings of the National Academy of Sciences" ("PNAS") veröffentlicht.
Die Ergebnisse lassen sich so zusammenfassen: Gebe es viele Pollen in der Außenluft, stiegen die Infektionszahlen. Die Forscher erklären das damit, dass der Körper bei Pollenflug unter anderem weniger der sogenannten antiviralen Interferone - dadurch reagiere die Körperabwehr auf Viren in den Atemwegen abgeschwächt.
"Schlussfolgerung nicht richtig"
Uwe Berger, Leiter des Pollenwarndiensts der Medizinischen Universität Wien, sieht in der Arbeit, die sein Team vor der Veröffentlichung begutachten sollte, allerdings einen falschen Ansatz. "Die Schlussfolgerung der Studienautoren ist nicht richtig", betont er im KURIER-Gespräch. Dass im Frühjahr 2020 die Pollenkonzentration mit dem Infektionsgeschehen korellierte, sei logisch. "Damals stiegen die Erkrankungszahlen durch die erste Welle natürlich. Daraus einen direkten Schluss und Zusammenhang zu ziehen, ist falsch. Allergiker haben kein erhöhtes Infektionsrisiko."
Aufgrund der Daten des Pollenwarndienstes im Jahr 2020 könne man die Daten der Münchener Studie also nicht bestätigen. "Was wir allerdings sagen können: Allergiker hatten im Vorjahr trotz starken Pollenflugs aufgrund des Mund-Nasen-Schutzes weniger Beschwerden."
Keine Panik verursachen
Auch andere Experten warnten vor Panik. Jörg Kleine-Tebbe, Allergologe und Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI) sagte in einer ersten Einschätzung: „Die Korrelation zwischen Pollenflug und Infektionen ist offenbar vorhanden, aber gering ausgeprägt.“ Es dürfe nun nicht Panik verursacht werden. „Das ist kein extremer Befund.“
Der Münchner Infektiologe Clemens Wendtner sagte zur dpa, dass Pollenexposition im Frühjahr zu einer erhöhten Infektanfälligkeit gegenüber bestimmten Viren führen könne, sei in der Fachliteratur beschrieben und prinzipiell bekannt. „Neu ist, dass dieser Effekt nun auch für das neue Coronavirus, also SARS-CoV-2, wissenschaftlich belegt wurde.“
Daten aus 130 Regionen
Die Münchener Studien-Autoren hatten Daten zu Pollenbelastung und SARS-CoV-2-Infektionsraten aus 130 Regionen in 31 Ländern auf fünf Kontinenten analysiert. Sie berücksichtigten auch demografische Faktoren und Umweltbedingungen, darunter Temperatur, Luftfeuchtigkeit, Bevölkerungsdichte und die Ausprägung des Lockdowns. Die täglichen Infektionsraten korrelierten mit der Pollenzahl in Ländern mit und ohne Lockdown.
Lockdown beeinflusst Infektionsrate
An Orten ohne Lockdown-Regelungen stieg die Infektionsrate im Schnitt um vier Prozent, wenn sich die Anzahl der Pollen in der Luft um 100 pro Kubikmeter erhöhte. In manchen deutschen Städten seien im Untersuchungszeitraum zeitweise pro Tag bis zu 500 Pollen auf einen Kubikmeter gekommen – dabei stiegen die Infektionsraten um mehr als 20 Prozent.
Die täglichen Infektionsraten korrelierten mit der Pollenzahl in Ländern mit und ohne Lockdown. Galten in den untersuchten Gebieten Lockdown-Regeln, halbierte sich die Zahl der Infektionen im Schnitt bei vergleichbarer Pollenkonzentration in der Luft.