Wissen/Gesundheit

Alle Medikamente weiterhin auf Lager

Dieser Tage ist in Raimund Podroschkos Apotheke im 22. Wiener Bezirk wenig los – und gleichzeitig viel. Drinnen, im Verkaufsraum, sind immer nur drei Personen. Draußen bildet sich mitunter eine Schlange. Da kann leicht das Gefühl einer Notlage aufkommen: Bekomme ich mein Medikament noch? Und wie weit ist die Forschung in Sachen Wechselwirkungen hinsichtlich des Coronavirus?

Nach dem Präparat Paracetamol wurde zuletzt häufiger gefragt – es gab aber keine Hamsterkäufe, betont der Vizepräsident der Wiener Apothekerkammer und Vertreter der angestellten Apotheker. Im Gegensatz zu manchen Online-Apotheken gebe man generell nur „Haushaltsmengen“ ab. Ein Vorteil der „niedergelassenen“, so Podroschko. Derzeit sind auch Ärzte angehalten, nur die üblichen Mengen zu verschreiben. „Die Kunden verstehen das. Damit werden Engpässe vermieden. Denn die Versorgung ist ja gesichert, es muss nur immer rechtzeitig beim Großhandel nachbestellt werden.“

Verunsicherung

Dass das Schmerzmittel Paracetamol so gefragt ist, liegt an Meldungen der vergangenen Woche. In einer Studie hieß es, das Schmerzmittel Ibuprofen könne bei einer Infektion mit dem Sars-CoV-19-Virus das Sterblichkeitsrisiko erhöhen. Dann empfahl auch noch die WHO, die Arznei nicht ohne ärztlichen Rat einzunehmen.

Dazu gesellten sich weitere Meldungen, dass auch bestimmte Medikamente gegen Bluthochdruck, Herzinsuffizienz und Diabetes negative Effekte bei einer Coronavirus-Infektion zeigen könnten .

Das Problem: Die Studie geht auf eine kleine experimentelle Untersuchung mit Laborratten in China zurück. „Es gibt keinen nachweisbaren Zusammenhang zwischen Ibuprofen und einer erhöhten Infektions- oder Komplikationsrate“, sagt Michael Freissmuth, Pharmakologe an der MedUni Wien. Und es gebe viele Unklarheiten mit der Ratten-Studie: „Wir wissen nicht, wie das beim Menschen ist, ob Auswirkungen auf Herz und Lunge gegeben sein könnten. Es gibt aber keine Hinweise darauf, dass eine größere Herz-Kreislauf-Störung auftreten kann.“

Auf Paracetamol auszuweichen betreffe aus Freissmuths Sicht eher ältere Patienten. „Da sie oft mehrere Medikamente nehmen, ist bei dieser Gruppe auch abseits von Corona immer die entscheidende Frage: Was ist die klügste Wahl zur Fiebersenkung.“ Für Paracetamol gebe es „in manchen Fällen“ Argumente: „Die Nierendurchblutung wird nicht herabgesetzt, es schadet dem Magen nicht und hemmt keine Blutplättchen“, erklärt der Pharmakologe. Allerdings gibt es auch Nachteile, etwa bei eingeschränkter Leberfunktion.

Darum ist eine Abschätzung von Wechselwirkungen so wichtig, so Freissmuth. Ähnlich argumentiert Podroschko: „Ich warne davor, etwas einzunehmen, das man gerade zuhause hat.“ Risikofrei ist schließlich keine Arznei, sagt Freissmuth. „Gerade jetzt sollte man sich klar sein, dass mit jedem Fiebersenker nur das bekämpft werden kann – nicht das Virus.“

Alle Inhalte anzeigen

Nicht alle Schmerzmittel sind gleich

Kopfschmerzen, eine Prellung oder eine Erkältung: Es ist nicht egal, zu welchem Schmerzmittel man greift – die Wirkweise der einzelnen Angebote kann sich aufgrund ihres jeweiligen
chemischen Aufbaus deutlich voneinander unterscheiden.

NSAR: Die Buchstaben stehen für nicht-steroidale Anti-Rheumatika, da sie früher oft in derTherapie gegen rheumatische Erkrankungen verwendet wurden. Dazu zählen Ibuprofen, Diclofenac und Acetylsalicylsäure (ASS). Ihr Vorteil: Sie wirken entzündungshemmend, fiebersenkend sowie schmerzlindernd (analgetisch).

Paracetamol: Die entzündungshemmenden Eigenschaften sind nicht so stark ausgeprägt. Die schmerzstillende und  fiebersenkende Wirkung von Paracetamol kann sich im zentralen Nerven-
system entfalten.

Nachgefragt

Raimund Podroschko arbeitet als Apotheker in Wien und ist Vizepräsident der Wiener Apothekerkammer.

KURIER: Wie erleben Sie derzeit die Situation?

Raimund Podroschko: Es ist eine Ausnahmesituation, aber man gewöhnt sich dran. In allen Apotheken sind die Mitarbeiter sehr gefordert,  meistens in zwei Teams, um im Fall einer Infektion den Betrieb aufrecht erhalten zu können. Dafür gebührt allen Dank. Sie setzen sich ja auch einem gewissen Infektionsrisiko aus.

Auch bei Ihnen dürfen gleichzeitig nur wenige Kunden in die Apotheke?

Ja, drei gleichzeitig. Da entscheidet aber jede Apotheke für sich. Ausschlaggebend sind die Verkaufsplätze. Bei zwei Plätzen geht es sich mit drei Personen aus, dass nicht zu viele auf einmal im Raum sind.

Verstehen die Kunden diese Maßnahmen?

Derzeit sind alle sehr geduldig. Sie haben Verständnis, dass es derzeit etwas länger dauert. Es geht ja nicht nur ums Verkaufen sondern auch ums ausreichende Desinfizieren jener Bereiche, wo es zu Kontakten kommt.

Sind manche auch verunsichert durch die Maßnahmen?

Ja, das kommt gelegentlich vor. Dann versuchen wir zu beruhigen und aufzuklären oder erklären, warum Hamsterkäufe gar nicht notwendig sind. Wir kennen ja die meisten unserer Kunden. Ich habe den Eindruck, dass das im Moment gut funktioniert.

Alle Inhalte anzeigen