Wissen/Gesundheit

Ärzte warnen: "Hier spielt man mit dem Leben vieler Menschen"

Der Aufschrei von medizinischen Experten in Großbritannien zu den Plänen von Boris Johnson, die Epidemie weitgehend unkontrolliert ablaufen zu laufen ist, groß: „Es ist zwingend erforderlich, die epidemische Kurve zu verzögern und abzuflachen, um sicherzustellen, dass unser Gesundheitssystem damit fertig wird“, schrieb etwa der Chefredakteur der medizinischen Fachzeitschrift The Lancet, Richard Horton, in der Zeitung The Times. „Da spielt man mit dem Leben von vielen Menschen“, sagt die Epidemiologin Eva Schernhammer von der MedUni Wien. „Denn in der Praxis kann man die älteren Menschen nicht so gut abschotten, dass sich nur die Jüngeren infizieren.“

Denn die Jüngeren würden lange Zeit Multiplikatoren der Infektionswelle bleiben: „Und sie merken das vielfach gar nicht , dass sie infiziert sind.“ Einerseits haben viele – nicht alle – jüngere Menschen nur leichte Symptome, andererseits zeigen immer mehr Daten, dass Infizierte bereits vor dem Auftreten der ersten Symptome eine Infektion weitergeben können. „Und die, die ein höheres Risiko haben, die älteren Menschen, würden bei so einer Vorgangsweise vom Staat nicht geschützt werden – was aber seine Aufgabe ist –, sondern müssten selbst auf sich aufpassen. Das ist eigentlich unglaublich. Ich hoffe, dass deswegen nicht sehr viele Menschen sterben müssen“, so Schernhammer.

Ähnlich sieht das auch der Infektiologe Herwig Kollaritsch. „Ethisch ist das nicht vertretbar.“ Aus wissenschaftlicher epidemiologischer Sicht verstehe er einen Grundgedanken: Wenn es gelänge, die Epidemie kontrolliert ablaufen zu lassen, sodass nur Menschen unter 40 Jahren betroffen und Ältere strikt abgeschottet sind, würde die Welle rascher vorbeigehen, die Einschränkungen wären schneller vorbei, und es gäbe wenige schwere Fälle. Aber: „Ich würde mich das nicht trauen. Das lässt sich nicht machen, vor allem nicht jetzt in der Anfangsphase.“

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