Wiener Krebsforscher hält Glyphosat-Studien für ein Desaster
Der Wiener Krebsforscher Siegfried Knasmüller zweifelt einem "Spiegel"-Bericht zufolge die Unbedenklichkeitseinschätzung von Glyphosat durch EU-Behörden an. Eine Studie des Toxikologen lege nahe, dass diese Einschätzung auf fragwürdigen und veralteten Untersuchungen beruhe, berichtete das Magazin am Freitag in einem Vorab-Bericht. Der Krebsforscher untersuchte demnach 53 Studien zu möglichen Erbgutschäden, die die Industrie bei den EU-Zulassungsbehörden eingereicht hatte.
Diese Studien wurden laut "Spiegel" wegen vermeintlicher Geschäftsgeheimnisse der Industrie lange unter Verschluss gehalten, 2019 beendete das Gericht der Europäischen Union (EU) in Luxemburg auf Veranlassung einer Nichtregierungsorganisation diese Blockade jedoch.
Akzeptabel
Knasmüller hält die Studien, die die Unbedenklichkeit von Glyphosat belegen sollen, für ein "Desaster". Mal habe die untersuchte Zellenzahl nicht gereicht, mal seien nicht genügend Bakterienstämme verwendet worden. Den 2014 geltenden OECD-Standards hätten die Tests meist jedenfalls nicht entsprochen. Dennoch habe im Jahr 2015 das für die EU mit der Risikoabschätzung beauftragte Berliner Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) die meisten dieser Tests als "akzeptabel" bezeichnet, so der Bericht. Im Gegensatz zu den staatlichen Prüfern, die 85 Prozent der Genotoxizitätsstudien für akzeptabel hielten, stufte Knasmüller nur vier Prozent als zuverlässig ein, wie der "Spiegel" weiter berichtete.
Um die Gefährlichkeit des Pestizids Glyphosat wird seit Jahren gestritten. 2015 stufte die Internationale Agentur für Krebsforschung den Wirkstoff als "wahrscheinlich krebserregend" ein. Der Bayer-Konzern, weltweit einer der größten Produzenten glyphosathaltiger Pflanzenschutzmittel, verweist dagegen darauf, dass "Aufsichtsbehörden auf der ganzen Welt weiterhin zu dem übereinstimmenden Schluss kommen, dass Glyphosat bei sachgemäßer Anwendung sicher und weder genotoxisch noch krebserregend" sei.
"Subtrahiert man von den 53 Gentoxizitäts-Studien der Industrie all jene Studien, die in der Durchführung grob fehlerhaft und im Studiendesign ungeeignet sind, dann bleibt am Ende nichts über. Nichts, außer der Frage, auf welcher Grundlage die EU-Behörden jemals behaupten konnten, Glyphosat sei 'nicht genotoxisch'", sagte der österreichische Global 2000-Biochemiker und Autor von "Die Akte Glyphosat", Helmut Burtscher-Schaden, in einer Stellungnahme.