Börse-Chefs: "Investition in Aktien ist die beste Altersvorsorge"
Steter Tropfen höhlt den Stein. Das mögen sich Christoph Boschan, Vorstand der Wiener Börse, und deren Aufsichtsratschef Heimo Scheuch gedacht haben, als sie sich im Rahmen der Präsentation der Jahreszahlen wieder einmal für die Stärkung der privaten Vorsorge stark gemacht haben.
Denn schon seit Jahren plädiert die Wiener Börse für die Wiedereinführung der Behaltefrist im Rahmen der privaten Vorsorge. Denn bis 2012 konnten Wertpapiere nach einem Jahr Behaltefrist steuerfrei veräußert werden. Inzwischen gibt es zwar seitens des Finanzministeriums einen Vorschlag für die Umsetzung mit einer Behaltedauer von 10 Jahren und auf nachhaltige Produkte beschränkt.
"Man ist dem Koalitionspartner sehr entgegen gekommen", so Boschan. "Das Vorhaben wurde inzwischen so verwässert, dass sich die Frage stellt, ob es überhaupt noch Sinn macht." Aber der Widerstand seitens der Grünen sei noch immer überbordend. Boschan plädiert weiters für den Ausbau der betrieblichen und privaten Altersvorsorge, teils auch mittels Verpflichtung wie in anderen Ländern Europas.
"Die Behaltefrist ist in fünf Minuten umgesetzt", ergänzt Scheuch. Dabei sei die Klimafrage nur zu lösen, wenn es genug Kapital für die Transformation der Unternehmen gebe. 330 Milliarden Euro würden niedrig verzinst auf Konten oder in Form von Bargeld herumliegen.
Börsengänge heuer möglich
Die Börse sei ein ideales Medium, um sich dieses Kapital zu beschaffen. Im Vorjahr haben dennoch nur drei Unternehmen den Sprung an die Wiener Börse gewagt. Boschan zeigt sich zuversichtlich, dass heuer weitere folgen werden.
Dass die Erträge von Vorsorgeprodukten großteils hinter den Versprechungen liegen, erklärt der Börse-Chef mit der verpflichtenden Kapitalgarantie. "Das ist in die Hose gegangen. Erfolg lässt sich nicht herbei regulieren." Minimale Risiken seien beherrschbar, wenn man breit und lange genug anlegt. "Wenn man hingegen Risiken verbietet, verbietet man auch die Renditen." Und wenn eine Aktienanlage über 30 Jahre nicht funktioniert habe, dann sei dies auch bei allen anderen Anlageprodukten so. Denn in schwierigen wirtschaftlichen Zeiten gebe es eine Korrelation bei der Entwicklung.
Für Scheuch fehlt derzeit die politische Kraft zu Veränderungen, es sei eher ein Beharren. Er wünscht sich von der nächsten Regierung, dass sie sich wieder dem Kapitalmarkt widmet. "Der Staat muss mehr tun, nicht nur ins Regierungsprogramm das hineinschreiben. Eine Investition in Aktien ist die beste Altersvorsorge."
Weitere Privatisierungen gefordert
Scheuch fordert auch weitere Privatisierungen, die in der Vergangenheit in vielen Bereichen erfolgreich gewesen seien und somit gute Vorbilder seien. Und er wünscht sich eine Entpolitisierung der staatlichen Beteiligungen, etwa in Form eines unabhängigen Staatsfonds.
Sowohl Boschan als auch Scheuch begrüßen eine verstärkte Zusammenarbeit der Europäer auf dem Kapitalmarkt. Immer mehr Unternehmen würden lieber in den USA notieren, da der Markt höhere Umsätze und Bewertungen biete. Und die Amerikaner würden sich besser verkaufen. "Wir Europäer denken zu sehr an Regulierung, weniger ans Geschäfte machen. Jeden zweiten Tag entschuldigt man sich für etwas. Wenn wir ein Land so führen würden, könnten wir vor den Konkursrichter gehen", sagt Scheuch.
Im Vorjahr hat die Wiener Börse (inklusive der Börse Prag) 78,9 Mio. Euro Umsatz erzielt, nach 80 Mio. Euro im Jahr davor. Das Ergebnis vor Steuern lag bei 47,9 Mio. Euro (2022: 47,3 Mio. Euro). Die Aktienumsätze gingen indessen wegen erhöhter Konkurrenz von 87 Mrd. Euro auf 66 Mrd. Euro zurück.