Wirtschaft

Schweigender Chef: Es sieht nicht gut aus für Thomas Cook

Es sieht nicht allzu gut aus für den britischen Reisekonzern Thomas Cook. Am Sonntagabend machten Videos die Runde, wie der Schweizer Firmenchef Peter Fankhauser in der Londoner Innenstadt eine Rechtsanwaltskanzlei verlässt. Schweigend und mit ernstem, gesenktem Blick geht er an den Journalisten vorbei, deren insistierende Fragen ignorierend.

Den ganzen Tag über hatte der Reisekonzern verzweifelt versucht, eine drohende Pleite abzuwenden.

Die Führungsspitze des Konzerns verhandelte mit Banken, Gläubigern und der Regierung in London, ob noch eine Rettung von Europas zweitgrößtem Touristikkonzern gelingt. Über die Ergebnisse der Verhandlungen wurde vorerst nichts bekannt.

Außer eben Fankhausers körpersprachlichen Signalen.

Alle Inhalte anzeigen

Größter Aktionär ist die chinesische Fosun-Gruppe, die nach bisherigen Planungen 450 Millionen Pfund frisches Geld bereitstellen sowie drei Viertel des Reisegeschäfts und ein Viertel der Airline-Gruppe des Konzerns übernehmen will. Insgesamt wurde vor den gestrigen dramatischen Ereignissen bereits ein erstes Rettungspaket von 900 Millionen Pfund (knapp eine Milliarde Euro) ausverhandelt.

Doch das reichte nicht. Die Banken forderten vor der umsatzschwachen Wintersaison zusätzlich weitere umgerechnet 230 Millionen Euro als Sicherheit. Und zwar von der britischen Regierung, weil keine privaten Investoren mehr aufzutreiben waren.

Außenminister Dominic Raab äußerte sich gegenüber BBC auch eher skeptisch zu einer möglichen Rettungsaktion. "Wir springen nicht systematisch mit Steuergeld ein, wenn Unternehmen untergehen. Es sei denn, es stehen dahinter legitime strategische nationale Interessen."

Abgesehen von der politischen Hürde hätte eine Rettungsaktion womöglich auch wettbewerbsrechtliche Folgen, solange das Vereinigte Königreich EU-Mitglied ist - Staatsbeihilfen werden im EU-Binnenmarkt genau unter die Lupe genommen.  

600.000 Gäste betroffen

Derzeit sind 600.000 Touristen über Thomas Cook unterwegs. In den sozialen Medien war die Aufregung groß. Zahlreiche Touristen sorgten sich, ob sie noch nach Hause kommen könnten.

Besonders schlimm erwischte es eine Gruppe britischer Touristen in Hammamet (Tunesien): Das Hotel verlangte von ihnen eine Sonderzahlung; Sicherheitskräfte hielten die Ausgänge versperrt, schilderte ein Betroffener im BBC-Radio.

Ein Thomas-Cook-Sprecher teilte dem KURIER mit, dass derzeit alle Condor-Flüge (Anm.: Condor ist Teil des Konzerns) und Urlaube „regulär durchgeführt“ werden und man alles Mögliche unternehme, „um den „Deal zur Rekapitalisierung über die Ziellinie zu bringen“.

Wie viele Österreicher derzeit via Thomas Cook gerade unterwegs sind, wollte der Sprecher nicht sagen.

Ursachen der Krise

Der 1841 gegründete und nach TUI europaweit zweitgrößte Reiseveranstalter beschäftigt 21.000 Mitarbeiter in 16 Ländern. In Österreich hat man eine Zweigniederlassung und dem Vernehmen nach rund 60 Mitarbeiter.

Pro Jahr buchen weltweit rund 19 Millionen Urlauber eine Reise mit Thomas Cook. Die Gründe für die Krise sind vielfältig. Der Konzern war zuletzt durch eine milliardenschwere Abschreibung auf eine britische Tochterfirma ins Schleudern geraten. Thomas Cook leidet zudem stärker als die Konkurrenz unter der mit Brexit und schwächerem Pfund einhergehenden Reiseunlust der Briten.

Dem Unternehmen, zu dem etwa Neckermann Reisen und eben auch die Fluglinie Condor gehören, sind aber schon länger die Kosten aus dem Ruder gelaufen. Auf umgerechnet 1,8 Milliarden Euro ist die Nettoverschuldung angewachsen. Im laufenden Jahr blieben zudem die Flug- und Pauschalreisebuchungen hinter dem Vorjahr zurück. Schon vor einigen Wochen erklärten die Analysten der Citibank die Thomas-Cook-Aktien für „wertlos“. Zudem leidet das klassische Reisegeschäft seit Jahren. Der Trend geht nämlich eindeutig zu mehr Individualreisen.

Vorbild für Havard

Thomas Cook stand schon einmal am Abgrund – und zwar in Folge der Finanzkrise. Damals, nach 2011, schaffte der Konzern jedoch die Trendwende aus eigener Kraft. Diese galt sogar als so erfolgreich, dass sie von der Harvard Business School zur Fallstudie für ihre Studenten gemacht wurde.