Wirtschaft

13 europäische Großbanken vom Zusperren bedroht

Sonntag um Punkt 12 Uhr verteilte die Europäische Zentralbank (EZB) Zeugnisse. Nach tiefen Blicken in die Bilanzen der 130 größten Geldhäuser Europas sowie einem Stresstest, bei dem die Institute beweisen mussten, dass sie auch in einer angenommenen tiefen Krise nicht umfallen, gab es jetzt die Benotung.

Und einige Überraschungen. Mit 25 Banken sind nämlich mehr durchgefallen als erwartet. Ihre Kapitalpolster würden für eine weitere Krise nicht reichen. Exakt ein Dutzend hat sich deshalb bereits vorsorglich gerüstet. 13 müssen jetzt noch „nachsitzen“. Das heißt konkret: Frisches Kapital aufstellen oder Bilanz verkleinern und Risiko abbauen.

Werden von den 13 Banken, die jetzt dringend Geld brauchen, alle überleben?

Nein. Bei zwei Instituten, der Volksbanken AG (ÖVAG) und der belgischen Dexia, ist das Ende schon fix. Im Fachjargon heißt das, sie werden „abgewickelt“. Kommen andere Banken nicht an genügend frisches Kapital, blüht ihnen Ähnliches. Seit Sommer 2013 haben die Banken ihre Puffer in Summe um 200 Milliarden Euro verbessert. Dennoch fehlen immer noch zehn Milliarden Euro.

Wird die ÖVAG noch einmal Steuergeld brauchen?

Der Vorstand beteuert, dass die Steuerzahler nicht mehr zum Handkuss kommen.

Welche Bank hat den größten Kapitalbedarf?

Die italienische Skandalbank Monte dei Paschi – sie braucht 2,1 Mrd. Euro. Dahinter folgen die griechische Eurobank (1,76 Mrd.) und die portugiesische Millennium BCP (1,15 Mrd. Euro).

Wo gibt es die meisten Krisenbanken?
In Italien. Dort sind gleich neun Institute durch den Test gerasselt. Die UniCredit, Mutter der Bank Austria, hat allerdings mit passablen Noten bestanden.

Wie liegen Österreichs Banken im Ranking?
Etwa im Mittelfeld, bei den Kapitalquoten etwas unter dem Durchschnitt. Für Osteuropa wurde eine besonders heftige Krise angenommen. Das belastet jene, die dort stark engagiert sind. Die RLB NÖ-Wien trifft das nicht, sie schneidet unter Österreichs Banken am besten ab (siehe Grafik).

In welchen Ländern wurden die Hausaufgaben am besten erledigt?
Allen voran in den Ländern, die tief in der Krise waren und Hilfe von den Euro-Partnerländern brauchten – in Spanien, Portugal und Irland. Dort ist der Bankensektor viel stabiler als früher und gilt als saniert. Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte allen Grund, das Abschneiden zu feiern.

Sind die europäischen Banken jetzt wirklich resistent gegen Krisen?
Nein. Sie sind sicher gesünder als früher, die meisten Banken würden jetzt einen schweren Konjunkturschock überstehen. Das große Aber: Bei der Überprüfung der Bilanzen zeigte sich, dass die geprüften Banken auf einem Berg von 879 Milliarden Euro an faulen Krediten sitzen – um 136 Milliarden Euro mehr als vermutet.

Viele Klein- und Mittelbetriebe jammern darüber, dass sie keine Kredite bekommen. Wird sich die Kreditklemme jetzt lösen?
Etliche Banken, die sich vor einem Durchfallen beim Test fürchteten, sind tatsächlich auf der Kreditbremse gestanden, weil sie ihre Risikopositionen nicht noch weiter ausbauen wollten. Banken mit guten Testergebnissen könnten diese Bremse jetzt lösen. Allerdings müsste auch die Kreditnachfrage anspringen, damit die Konjunktur in Schwung kommt.

Seit dem Ausbruch der Finanzkrise haben Banken ein miserables Image. Wird sich das jetzt bessern?

Das ist durchaus möglich. Die EZB, bei der die Bankenaufsicht ab 4. November angesiedelt ist, hat die Institute auf Herz und Nieren geprüft und damit zur Stärkung des Vertrauens in die Stabilität des Sektor beigetragen. Am Vertrauen der Kundschaft werden die Banken allerdings noch hart arbeiten müssen.

Werden die Stresstest-Ergebnisse die Aktienkurse an den Börsen bewegen?

Ja. Anleger, die Bankaktien bisher nicht über den Weg trauten, werden jetzt vermehrt zugreifen. Auch deshalb, weil Aktien europäischer Banken viel billiger sind als die Papiere von US-Instituten. Bei Krisenbanken wie der italienischen Monte dei Paschi könnte es allerdings steil nach unten gehen.

Die beiden heimischen Bankaktien im prime market der Wiener Börse haben am Montag im Frühhandel mit deutlichen Kursgewinnen auf die Ergebnisse des Banken-Stresstests der EZB reagiert. Die Titel von Raiffeisen kletterten kurz nach Handelsbeginn um 7,27 Prozent auf 18,23 Euro und die Aktien der Erste Group zogen um 8,26 Prozent auf 20,45 Euro an.

Die italienischen Krisen-Institute Banca Monte dei Paschi di Siena (MPS) und Banca Carige meldeten starke Kursstürze. Die Aktien der MPS, des ältesten Geldhauses der Welt, fielen um 15 Prozent auf 0,85 Euro. Die Börsenaufsicht hat daraufhin Leerverkäufe mit MPS-Aktien vorrübergehend verboten.

Der Präsident des Bayerischen Finanz Zentrums, Wolfgang Gerke, zeigte sich gegenüber den Ruhr Nachrichten angesichts des schlechten Abschneidens der italienischen Geldinstitute beim Banken-Stresstest sehr besorgt: "Wenn die Europäische Zentralbank jetzt diesen Kreditinstituten Finanztitel abkauft, die nicht erster Güte sind, kommt es auf indirektem Weg doch zu einer weiteren Umverteilung der Schuldenlast."

Der deutsche Haushaltspolitiker Norbert Barthle (CDU) hat die Europäische Zentralbank (EZB) aufgefordert, durchgefallene Finanzinstitute nicht durch den Ankauf schlechter Papiere zu stützen: "Die EZB hat versichert, nur Papiere mit Premium-Bewertung zu kaufen. Ich gehe davon aus, dass dies auch eingehalten wird."

EU-Binnenmarktkommissar Michel Barnier lobte die "vollständige, transparente und rigorose Überprüfung der Gesundheit der Banken", wies aber auch auf weiteren Reformbedarf hin: "Wir sind noch dabei, das Bankensystem zu stärken und die heutigen Ergebnisse erlauben uns, verbleibende Anfälligkeiten zu identifizieren."

Kritik am Stresstest äußerte der Präsident des Münchner Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn. Der Test sei "zu zahm" gewesen, erklärte Sinn. "Die EZB hat es vermieden, ein Szenario der Deflation für Südeuropa durchzuspielen." Daher habe sie nur eine geringe Kapitallücke bei vielen Banken ausgemacht. Mit ihren Annahmen habe die EZB implizit ein Inflationsszenarium für den Durchschnitt der Eurozone unterstellt, um nicht allzu viele Banken unter die rote Linie fallen zu lassen, erklärte der Ifo-Chef.

Auch Attac übte Kritik an den Tests selbst. "Die Stress-Schwellenwerte (8 bzw. 5,5 Prozent Eigenkapital, je nach Szenario) gehen nicht einmal über die endgültigen Anforderungen in Basel III hinaus. Sie sind daher viel zu niedrig für einen 'Stresstest', der diesen Namen verdient. Die dort angestrebte maximale Verschuldungsgrenze (leverage ratio) von nur drei Prozent sei völlig unzureichend und ein riesiger Erfolg für die Bankenlobby. Die Verschuldungsgrenze sollte laut Attac mittelfristig auf 20 bis 30 Prozent angehoben und zudem nicht beliebig durch interne Risikomodelle kleingerechnet werden können.

Dem Chef des österreichischen Bankenverbands, Willibald Cernko, fällt zur zur Streitfrage, wann ein Stresstest streng genug ist, ein Beispiel aus der Autoindustrie ein. Dort würden Crash-Tests bei 55 Stundenkilometern durchgeführt. Würden nun 150 km/h vorgegeben, würden sich viele kein Auto mehr leisten. Cernko plädiert für Maß und Ziel. Bei den Banken sei in der Kapitalfrage ohnedies schon viel passiert. "Wir fahren nicht mit voller Geschwindigkeit auf eine Betonmauer zu."

Auch der Wirtschaftsprofessor Stefan Pichler verteidigte die Banken-Stresstests. Diese seien "wirklich geeignet, die Schlussfolgerungen zu ziehen, die die EBA jetzt zieht." Es hätten auch für alle Banken die gleichen Bilanzierungsregeln gegolten, sagte Pichler am Montag im ORF-Mittagsjournal.

Alle Inhalte anzeigen
Alle Inhalte anzeigen

Es kam, wie befürchtet: Die Österreichische Volksbanken AG (ÖVAG) ist am Stresstest wie schon 2011 gescheitert. Die Puffer der Bank, die sich in Osteuropa übernommen hat, reichen nicht aus, um eine fiktive schwere Krise unbeschadet zu überstehen.

Alle Inhalte anzeigen
Die EZB verlangt, dass die ÖVAG eine Kapitallücke von knapp 865 Millionen Euro innerhalb von neun Monaten schließt. Schon innerhalb der nächsten zwei Wochen muss das Spitzeninstitut des Volksbanken-Sektors einen Kapitalplan vorlegen, wie das Loch gestopft werden kann. „Dieses Ergebnis kam nicht unerwartet“, sagt ÖVAG-Generaldirektor Stephan Koren (Bild). Man habe stets gesagt, dass noch Eigenmittel gebraucht würden.

Aufspaltung der ÖVAG

Deshalb war Anfang Oktober der Beschluss gefallen, dass die ÖVAG ausgedient hat. Das soll laut Koren „ohne neue Belastung der Steuerzahler“ möglich sein. Inklusive Garantien hat die Bank 1,35 Milliarden Euro aus Steuergeld erhalten. Der Staat ist seit 2012 mit 43,3 Prozent an der Bank beteiligt.

Die faulen ÖVAG-Kredite werden in eine Abbaugesellschaft wandern. Von 52 Instituten im Sektor sollen nur 12 übrig bleiben. Bis Ende 2015 sollen die Generalversammlungen der einzelnen Volksbanken der Fusion zustimmen. Und obendrein hat die ÖVAG 2014 faule Kredite in Rumänien im Wert von 495 Mio. Euro und Immobilien von 400 Mio. Euro verkauft, was im Stresstest nicht mehr berücksichtigt wurde. Wie viel Kapitalbedarf jetzt noch bleibt, konnte eine Sprecherin nicht beziffern.

An der größten Bankenprüfung in Europa aller Zeiten waren 6000 Aufseher, Prüfer und Juristen beteiligt. Laut EZB analysierten sie alleine beim Stresstest 40 Millionen Daten, die von den Banken geliefert wurden. Die Prüfung erstreckte sich auf 82 Prozent der Posten in den Bilanzen aller Banken in der Euro-Zone (inklusive Euro-Neuankömmling Litauen).

Positive Bilanz ja, aber keine Selbstzufriedenheit: Fünf von sechs heimischen Banken hätten gut abgeschnitten, sagen Österreichs Aufseher. Es gebe aber „keinen Grund, sich zurückzulehnen“, hieß es aus dem Finanzministerium.

„Wir haben jetzt eine Gesundenuntersuchung gehabt, die ist gut ausgegangen. Für einen Marathon muss ich aber weiter trainieren“, kommentiert Notenbankdirektor Andreas Ittner jene Banken, die durchgekommen sind.

Die EZB bewertet faule Kredite strenger als die geltenden Bilanzregeln. Bei Österreichs Instituten macht der Unterschied ganze 2,99 Mrd. Euro aus. Das heißt aber nicht, dass die Bilanzen falsch waren. Nachträgliche Korrekturen seien nicht nötig, sagt OeNB-Gouverneur Ewald Nowotny.

Völlig ausgeschlossen ist es nicht, dass die Steuerzahler noch einmal für Bankenrettungen zahlen. Allerdings werden zuerst Aktionäre, Anleihenbesitzer und Großsparer zur Kasse gebeten.

Auch in Nicht-Euroländern wurde geprüft, und zwar von der gesamteuropäischen Aufsichtsbehörde EBA. Alle Teilnehmer aus Großbritannien, Dänemark, Schweden, Norwegen, Ungarn und Polen haben bestanden.