Deloitte-Experte: "Steuersystem ist zentraler Hemmschuh" für Wirtschaft
Von Michael Bachner
Unternehmensberater Deloitte lässt am Zustand des heimischen Wirtschaftsstandortes kein gutes Haar. Österreichs Wirtschaft habe ein "Jahrzehnt des Stillstands" hinter sich und liege im globalen Wettbewerb "bestenfalls im Mittelfeld". Neben der fortschreitenden Klimakrise, geopolitischen Spannungen in und um Europa sei es vor allem die hohe Kosten- und Abgabenlast, die eine Aufholjagd ins internationale Spitzenfled erschwere - so lautet der wenig schmeichelhafte Befund.
Für Herbert Kovar, Managing Partner Tax & Legal bei Deloitte Österreich, stellt Österreichs "komplexes Steuersystem" eine der größten Hürden dar. Der aktuelle Deloitte Tax Survey 2024, eine Umfrage unter 250 Führungskräften vornehmlich aus dem Steuerbereich, belege: "Die derzeitige Rezession und die abnehmende Wettbewerbsfähigkeit der österreichischen Wirtschaft machen eine Reform des Steuersystems drängender denn je. Nur so können wir die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit sicherstellen."
In der Umfrage bewerten mehr als drei Viertel der Befragten (78 %) das österreichische Steuersystem als "herausfordernd" im Vergleich zu anderen Staaten. Vor allem häufige Gesetzesänderungen (54 %), unklare, doppeldeutige und widersprüchliche Interpretationen der Regelungen durch die Finanzverwaltung (50 %) sowie lange Verfahrensdauern bei Abgabeverfahren (46 %) machen den Unternehmen das Leben schwer.
Kovar plädiert anhand der Umfrage für zwei Maßnahmen: Neben der Reduktion der Lohnnebenkosten (68 % befürworten das) wird vor allem der Senkung des Einkommensteuersatzes (40 %) große Bedeutung beigemessen. "Die Forderungen sind nicht neu, doch gerade vor dem Hintergrund der stagnierenden Wirtschaft und des anhaltenden Fachkräftemangels wird die Entlastung des Faktors Arbeit zunehmend wichtiger", betont der Steuerexperte.
Die Zwei-Drittel-Abgeltung der kalten Progression sei ein wirklicher "Meilenstein" in dieser Legislaturperiode gewesen, so Kovar. Davor wäre die arbeitende Bevölkerung von der Inflation schleichend enteignet worden. Die künftige Regierung müsse hier freilich weiter machen und konkret auch die Sätze der Lohn- und Einkommenssteuer weiter senken. Alles andere wäre bloß ein "Beibehalten des Status quo".
Klimakrise rückt in den Hintergrund
Etwas in den Hintergrund rückt angesichts der vielfältigen Wirtschaftsprobleme das Problembewusstsein in puncto Klimakrise. Haben sich 2023 noch 56 % für die Einführung von Maßnahmen zur Ökologisierung des Steuersystems ausgesprochen, sind es aktuell nur noch 48 %. Ein weiteres Viertel ist sich diesbezüglich unsicher. "Die Umfrage zeigt, dass Steuerverantwortliche vor mehr Herausforderungen denn je stehen. Das sollte nicht dazu führen, dass Zukunftsthemen vernachlässigt werden", sagt Kovar.
Am Beispiel der E-Mobilität zeige sich, dass eine Hü-Hott-Politik Unsicherheit erzeugt. Dabei bräuchten Konsumenten wie Unternehmen Planungssicherheit. Es müsse das Gesamtpaket passen, von den Autos, über die Ladestationen bis zur Stromproduktion und -verteilung über leistungsfähige Netze. Kovar: "Nur kleine Pflaster zu verteilen, statt große strategische Schritte zu gehen, wird nicht reichen. Aber das ist nicht nur ein österreichisches Problem."