Wirtschaft

"Sportliche Bewertungen" bei Signa Prestige Immobilien

Das Berliner Upper West ist eine der Prestigeimmobilien im Portfolio von René Benkos Signa Prime Selection. Ein Bericht der Finanznachrichtenagentur Bloomberg zeigt hier exemplarisch "sportliche" Bewertungen in den Konzern-Büchern. Trotz der Turbulenzen, die durch das Ende der Ära des billigen Geldes gerade im Immo-Sektor ausgelöst wurden, stand der 35-stöckige Turm Ende 2022 mit mehr als 700 Mio. Euro in den Büchern - dem 45-fachen der Mieteinnahmen des Gebäudes.

Heute sind allerdings eher Multiplikatoren in den Zwanzigern marktüblich, schreibt Bloomberg. Die Bewertung mit einer knappen dreiviertel Milliarde Euro geht demnach aus einem Bericht des Maklers Jones Lang LaSalle vom April hervor. "Eine aktuelle Bewertung für Signa würde sehr wahrscheinlich zu einem Rückgang von etwa einem Drittel führen", sagt Peter Papadakos, Chef der Europa-Analyse beim Immobilien-Spezialisten Green Street Advisors.

Laut Bondprospekten und Investoren-Präsentationen stand die Liegenschaft Ende 2018 mit 571 Millionen Euro in den Büchern der Signa Prime. Ende 2020 waren es schon knapp 620 Millionen Euro. Aber selbst nach dem beispiellosen Zinsanstieg seit letztem Sommer sehen die Bewerter der Signa Prime keinerlei Wertverlust. Die jüngste Bewertung von über 700 Millionen Euro bedeutet bei Mieteinnahmen von 16,4 Millionen Euro eine Mietrendite von 2,2 Prozent. Das ist weniger als die rund 2,4 Prozent hohe Rendite 10-jähriger Bundesanleihen in Deutschland derzeit, vergleicht Bloomberg. Top-Bürolagen in Berlin werden derzeit laut Daten von Green Street eher mit 4 Prozent Mietrendite bewertet.

>Mehr dazu: Was Benko beitragen muss

Um die Zahlen in Einklang mit dem Markt zu bringen, müsste die Bewertung massiv gesenkt oder die Mieten entsprechend erhöht werden - oder eine Mischung aus beidem, so Bloomberg. Die Büromieten im Upper West seien derzeit allerdings auch nicht am oberen Ende vergleichbarer Räumlichkeiten in Berlin, es gebe also einen gewissen Spielraum, wenn Verträge auslaufen. Was die Situation nicht einfacher mache, sei der Mangel an Immobilienverkäufen am deutschen Markt, die Bewertungen objektivieren könnten.

Differenzen zwischen Buchwerten und dem, was tatsächlich am Markt erzielt werden kann, sind in einem boomenden Markt nicht von Belang. Doch wenn die Gläubiger Schlange stehen und ihr Geld zurückbekommen wollen, sind Notverkäufe eine reale Möglichkeit.

Und dann steht selbst hinter den wertvollsten Liegenschaften ein Fragezeichen: Die "Financial Times" (Freitag) berichtet, dass die damals schon klamme Signa in diesem Frühjahr einen 50-Prozent-Anteil am Berliner KaDeWe um nur 300 Mio. Euro verkaufen konnte. Das wäre ein Abschlag von 60 Prozent auf dem Buchwert, der für das ganze Haus bei um die 1,5 Milliarden Euro stand. In diesem Fall könnte ein Realitätscheck sogar einige der Kredite gefährden, die auf den Liegenschaften der Signa Prime lasten, heißt es im Medienbericht. Eine APA-Anfrage bei der Signa zu den Bewertungen blieb am Samstag vorerst unbeantwortet, auch gegenüber Bloomberg gab es den Angaben zufolge keine Reaktion. Transaktionen wie diese könnten auch den Gesamtmarkt beeinträchtigen und das Preisniveau insgesamt auf eine Abwärtsspirale setzen.

>Mehr dazu: Größte Pleite in Österreichs Geschichte

Das KaDeWe hatte Signa Ende 2012 um etwa eine halbe Milliarde Euro von einer Investorengruppe gekauft, hinter der unter anderem Goldman Sachs und die Deutsche Bank standen. Zuletzt stand es mit rund dem Dreifachen in den Büchern. Ähnliche Vervielfachungen sind von anderen Objekten bekannt, in Wien etwa dem heutigen Park Hyatt Hotel und der Jugendstil-Postsparkasse.

Das Upper West wiederum kaufte Benko im Jahr 2017 als Teil eines Portfolios von der RFR Holding des US-Immobilienmoguls Aby Rosen, mit dem Signa auch das Art-Déco-Wahrzeichen Chrysler Building in New York gehört. Die unteren Geschosse des Upper West sind Einkaufsflächen, es gibt ein Motel One Hotel und im übrigen vor allem Büros - unter anderem Signas eigene Berlin-Repräsentanz und just die Anwaltskanzlei Görg, deren Partner Torsten Martini gerade zum Insolvenzverwalter der Signa-Prime-Tochter Signa Real Estate Management Germany ernannt wurde.

Deutschland sei nun das Epizentrum einer europäischen Gewerbeimmobilienkrise, schreibt die Finanznachrichtenagentur weiter. Der Signa sei Österreich zu klein geworden, man expandierte vor allem ins nördliche Nachbarland, dessen Immobilienmarkt noch vor kurzem als sicherer Hafen für Geld aus aller Welt galt. Als die Zinsen auf dem Tiefststand waren, sorgten wachsende Wirtschaft und schwache Neubautätigkeit für einen raschen Anstieg der Mieten, während die Mietrenditen mit den Zinsen in den Keller rasselten. Zusammen mit billigem Geld im Überschuss verleitete dies Geschäftsleute wie Benko dazu, die Immobilienwerte in immer lichtere Höhen zu treiben.

Bloomberg erinnert auch daran, dass Benko auch bei Branchentreffen regelmäßig geklotzt und nicht gekleckert habe. Signas 62-Meter-Yacht "Roma" wurde noch auf der diesjährigen Mipim-Konferenz in Cannes auffallend in Szene gesetzt, während der Stand von Signa auf der Expo Real in München im Oktober zu den größten gehörte, das passe zu den Immobilienbewertungen, mutmaßt die Agentur. Für die "Roma" fand sich zuletzt im Internet ein Inserat mit einem Verkaufspreis von 39,9 Mio. Euro.

>Mehr dazu: Porträt von Rene Benko

Als Preise noch in einer Aufwärts-, und Zinsen in einer Abwärtsspirale waren, erlaubten die steigenden Buchwerte Signa höhere Beleihungen, die dann wieder in neue Zukäufe gesteckt werden konnten. Die niedrigen Renditen hatten allerdings auch zur Folge, dass das Portfolio relativ kleine Geldflüsse in die Kassa spülte. Gleichzeitig hatte die Signa Prime Bauprojekte wie den Hamburger Elbtower im Programm - budgetierte Kosten insgesamt fast eine Milliarde Euro - die immer mehr laufende Zahlungen verschlangen. Als die Baukosten zuletzt zu explodieren begannen, wurde der toxische Mix fatal. Das wird jetzt auch ein Problem für die Gläubiger, wie einzelne bereits erfolgte Insolvenzen im Signa-Firmengeflecht zeigen.

Bestandsobjekte generieren Mieteinnahmen, die zur Schuldentilgung verwendet werden können, was Spielraum für einen geordneten Verkauf gibt. Halbfertige Baustellen wie der Elbtower sind hingegen eine Belastung.