Slowenien: Kreativ in der Wirtschaftskrise
Fast hätte Nejc Leskovar die Abfahrt an der Autobahn nach Konjice verpasst, der 27-Jährige ist zornig. „It’s fucked up – sie haben das Land kaputtgemacht.“ Korrupte Politiker sind seiner Ansicht nach für die Wirtschaftskrise in Slowenien verantwortlich. Nejc atmet durch und rückt sich seine Sonnenbrille zurecht. Die Fassung ist aus Holz, die Gläser verspiegelt. Die Brille ist sein Ausweg aus der Krise.
Nejc parkt den Kombiwagen auf dem Parkplatz vor einem grauen Wohnblock am Rande des Stadtzentrums von Slovenske Konjice. Dass im Erdgeschoß des Hauses junge, kreative Menschen werken, lässt das Ambiente nicht vermuten. Viele Junge arbeiten an Start-ups in Ljubljana oder ziehen nach London oder Berlin. In Konjice gibt es ein Eisenbahnmuseum und viel Wald.
Jaka bringt ein fertiges Brillen-Modell. Sechs Stunden hat es gedauert, bis es fertig war. Er riecht daran. „Das ist Holz und hat eine Seele.“ Er gibt sie an Nejc weiter und bittet ihn, die Brillen zur Hochzeit mitzubringen. Dann verabschiedet er sich.
Nejc nimmt im Rollsessel Platz und lehnt sich zurück. „Es ist schön, mit Freunden zu arbeiten. Noch besser ist, dass wir unsere eigenen Chefs sind. Es gibt keinen Boss, der uns das Geld stiehlt oder mit Politikern Deals aushandelt.“
Vor drei Jahren verlor der 29-Jährige seinen Arbeitsplatz bei einem Fahrzeughersteller in Izola, weil dieser in Konkurs ging. Seither sucht Tommy sein berufliches Glück im Tourismus. „Das ist die einzige Branche, in der sich hier noch Geld verdienen lässt.“ Mit drei Freunden führt er ein Hostel in der Altstadt. „Die Stadt ist von der Krise nicht wirklich betroffen, da der Hafen viel Geschäft einbringt.“
Am 8. Oktober wird Tommy an Bord einer Yacht anheuern. „Es ist eine Kreuzfahrt von Barcelona nach Miami und ich werde dort als Offizier arbeiten.“ Schon zuvor verdiente er über die Wintermonate, wenn im Hostel wenig Gäste sind, sein Geld auf Passagierschiffen. „Für Menschen im Alter von 25 bis 30 Jahren ist es derzeit schwer, Arbeit zu finden. Ich versuche alles, um zu überleben.“ Von dem Verdienst auf dem Schiff und Ersparnissen will sich Tommy einen großen Wunsch erfüllen: Den Kauf eines eigenen Appartements. Momentan lebt er bei seinen Eltern. Eine Mietwohnung kann er sich mit seinem geringen Gehalt nicht leisten.
Anamarija (25): „Man muss flexibel sein“Um Germanistik zu studieren, zog Anamarija vor sechs Jahren von ihrem Heimatdorf nahe der österreichischen Grenze nach Ljubljana. Dort wohnt sie bei ihrer Tante. „Bei der Wahl des Studiums war ich überzeugt, dass mir durch die Sprachkenntnisse die Welt offen steht.“
Vor einem Jahr schloss die 25-Jährige ihr Studium ab. Eine Stelle als Übersetzerin hat sie bis jetzt nicht gefunden. „Es ist seit einiger Zeit sehr schwierig, einen Job als Akademikerin zu bekommen. Man hat kaum Chancen auf einen Arbeitsplatz.“ Einige ihrer Studienkollegen versuchen ihr Glück in Österreich. „Sie haben einen Uni-Abschluss und arbeiten in Wien am Bau oder im Callcenter.“
Anamarija möchte in Ljubljana bleiben und begann vor einem Jahr eine Ausbildung zur Erzieherin. Sie erhofft sich so bessere Jobchancen. „In Krisenzeiten muss man beruflich flexibel sein.“ Dass immer mehr Menschen das Land verlassen, macht sie traurig. „Jeder will an der Universität studieren. Die Politik sollte nicht-universitäre Berufssektoren fördern und für junge Menschen wieder attraktiver machen.“
Der Sozialanthropologe hat bis vor kurzem noch an der Universität in Koper gelehrt. Derzeit ist er auf Arbeitssuche. „Sie haben die Krise als Ausrede genutzt, um einzusparen und Personal abzubauen.“ Aber Tomaz bleibt nicht untätig. Der 28-Jährige organisiert Bürgerversammlungen in Maribor und Koper. „Wir kämpfen nicht gegen etwas, sondern für etwas. Das macht Sinn.“
Per Flugblatt laden sie die Bewohner eines jeweiligen Bezirks ein, um gemeinsam über Probleme und Anliegen zu diskutieren. Jeder soll zu Wort kommen, einer moderiert. „Zuletzt hatten wir eine Versammlung in einem Bezirk in Maribor, in dem viele ältere Menschen leben. Seit Jahren wünschen sie sich einen Zebrastreifen an einer stark befahrenen Straße. Das wurde auch bei der Versammlung einstimmig gefordert.“ Da die Stadtregierung die Forderung ignorierte, wandten Tomaz und einige der Bewohner kreative Methoden an. „Während wir die Straße blockierten, malten einige der Gruppe Zebras auf die Straße. Auch viele ältere Menschen unterstützten uns dabei.“