Siemens-Chef warnt vor Deindustrialisierung des Standorts Österreich
Siemens-Chef Wolfgang Hesoun warnt vor einer Deindustrialisierung des Wirtschaftsstandorts Österreich und plädiert im Lichte der Energiekrise und hohen Inflation für eine pragmatischere Vorgangsweise bei der Erreichung der Klimaschutzziele. "Es hat keinen Sinn zu deindustrialisieren und dafür haben wir eine positive CO2-Bilanz", sagte Hesoun bei der vom Verband der Auslandspresse veranstalteten Tagung Medienmittelpunkt Ausseerland am Ödensee.
Laut Hesoun braucht es 100 Quadratkilometer Photovoltaik-Anlagen, 500 bis 1.000 neue Windräder und fünf Wasserkraftwerke von der Dimension des Kraftwerks Freudenau, um die Klimaziele bis 2030 zu erreichen. "Das ist in der vorgesehenen Zeit nicht machbar." Der CO2-neutrale Umbau der Energieproduktion sei schon vor dem Krieg in der Ukraine ein höchst ambitioniertes Ziel gewesen. Mit Gaskrise und hohen Energiepreisen werde sich das Vorhaben de facto nicht ausgehen.
Nur vage Antworten
Kritik übte Hesoun an Eleonore Gewessler, ohne die grüne Umweltministerin direkt beim Namen zu nennen. Auf präsentierte Zahlen zum Gasausstiegsplan, wonach Österreichs Energiebedarf bis 2027 um 25 Prozent reduziert werden soll, blieben Antworten auf die Frage, wie das gehen soll, unklar und vage. Der Siemens-Chef zog die Berechnungen in Zweifel.
Von der Politik forderte er weniger Dogmatik und mehr Pragmatik. "Wir sind im Krisenmodus. Da muss man die Ziele anpassen." Die Einführung einer CO2-Abgabe ab Sommer bezeichnete er mit Blick auf die Teuerungsraten als "Zynismus". Der Präsident des Fachverbandes der Elektro- und Elektronikindustrie FEEI sprach sich für ein Aussetzen der CO2-Steuer aus.
Verbund-Generaldirektor Michael Strugl kritisierte im Ausseerland die langen Verfahren beim Ausbau erneuerbarer Energieträger sowie beim ebenfalls notwendigen Netzausbau. In einem Bundesland sei das Genehmigungsverfahren durch ständige Eingaben so lange verzögert, bis der vorgesehene Windturbinentyp vom Erzeuger nicht mehr produziert wurde. Der Chef des Energiekonzerns ließ diplomatisch anklingen, dass es so mit der Energiewende schwierig werden könnte.
"Einiges müsste geändert werden." Als Beispiel nannte Strugl einen Vorschlag der EU-Kommission, wonach alle EU-Länder auf ihrem Staatsgebiet Flächen definieren sollten, auf denen innerhalb eines Jahres Genehmigungen möglich sind. "Das muss in nationale Gesetzgebung umgesetzt werden. Derzeit laufen Verfahren mehrere Jahre." Auch beim Leitungsausbau, ohne den es keine Energiewende geben kann, komme es darauf an, welchen Rahmen die Politik definiert.
Zurückhaltend reagierte Strugl auf Fragen zu Überlegungen von Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP), wegen der hohen Strompreise Gewinne von staatlichen Energieversorgern - der Verbund steht zu rund 80 Prozent im öffentlichen Eigentum - abzuschöpfen. Das, was der Verbund-Konzern verdient, werde reinvestiert, der Rest gehe ohnehin in Form von Steuern und Dividenden an den Staat. "Nur der Erneuerbaren-Ausbau kann die Preise wieder runterbringen", sagte Strugl.