Siemens-Alstom-Fusion: Warum die EU massive Bedenken hat
Ein „global agierender europäischer Champion“ soll er werden, wenn es nach den Worten von Siemens-Chef Joe Kaeser geht – der geplante Zusammenschluss der Zugsparten zwischen Siemens und Alstom. Beide Konzerne sehen die Fusion als Antwort auf die gewaltige Konkurrenz aus China.
Der dort tätige weltgrößte Bahnkonzern CRRC erwirtschaftet einen doppelt so hohen Umsatz wie Siemens und Alstom zusammen. Nur gemeinsam, so die Argumentation der deutsch-französischen Unternehmensführung, sei man angesichts der wachsenden Rivalität mit China adäquat aufgestellt.
Doch die Mega-Fusion im europäischen Bahnbereich steht auf der Kippe. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager äußert massive Bedenken. „Wir können keine Champions aufbauen, indem wir den Wettbewerb aushöhlen“, sagte die Kommissarin aus Dänemark in der Vorwoche.
Sie fürchtet, dass durch die geplante Übernahme von Alstom durch Siemens ein marktbeherrschender und damit die Preise kontrollierender Konzern entstehen könnte. In letzter Konsequenz würde sich dies „zum Nachteil von Millionen Europäern auswirken, die täglich beruflich oder privat den Schienenverkehr nutzen.“
Vorentscheidung
Heute, Dienstag, könnte bereits eine Vorentscheidung fallen, ob der Megadeal über die Bühne gehen darf oder nicht. Beim Zusammentreffen der 28 EU-Kommissare in Straßburg ist die umstrittene Fusion ein Thema. Seit die EU-Kommission über die Zulässigkeit von Fusionen entscheidet, wurde selten so viel politischer Druck ausgeübt wie im Fall Siemens/Alstom.
Wobei die Regierungen in Berlin und Paris massiv für den Zusammenschluss der beiden Konzerne werben, während die Kartellbehörden in Spanien, den Niederlanden, Belgien und Großbritannien Kommissarin Vestager ersuchten, den Deal zu blockieren.
Vor einigen Tagen äußerte sogar das deutsche Bundeskartellamt Bedenken angesichts der Fusion zum größten europäischen Zughersteller: Bei den Märkten für Hochgeschwindigkeitszüge und Signalanlagen könnte der freie Wettbewerb gefährdet sein.
Politikum
Das Tauziehen um die Großfusion ist mittlerweile zum Politikum geworden. Die Frage ist: Sollen die europäischen Wettbewerbsregeln gelockert werden, um größere und schlagkräftigere Konzerne zu ermöglichen, die sich gegenüber der amerikanischen und chinesischen Konkurrenz behaupten können?
18 EU-Mitgliedsstaaten haben dies jüngst in einer gemeinsamen Erklärung gefordert. Frankreichs Wirtschaftsminister Bruno Le Maire schimpft gar: „Das europäische Wettbewerbsrecht ist obsolet. Es stammt aus dem 20. Jahrhundert.“ Heute aber habe man es mit den Industriegiganten des 21. Jahrhunderts zu tun.
EU-Kommissarin Vestager zeigt sich indessen wenig beeindruckt: Die Antwort auf unfaire Handelspraktiken anderer Staaten könne nicht sein, den eigenen Wettbewerb in der EU zu schwächen. „Gegen große Fusionen ist nichts einzuwenden, solange die Kunden nicht darunter leiden.“
Weitere Großfusionen
Mit großen Bedenken prüft die Kommission derzeit auch die geplante Fusion der beiden Stahlgiganten Tata Steel und ThyssenKrupp. Verboten hat die Behörde in Brüssel zuletzt die Fusion der Deutschen Börse mit jener in London sowie den Zusammenschluss der beiden Telefonanbieter O2 mit Three.